#1

Untergang des Abendlandes

in allgemeine, religiöse Themen 15.06.2013 23:24
von Daelach | 1.214 Beiträge

Ich arbeite mich derzeit durch Spenglers Hauptwerk, und allein schon vom komplexen Sprachstil her ist das sicherlich kein Buch, das man mal eben durchfliegt. Aber die Gedankengänge sind es definitiv wert, auch wenn der Titel eigentlich etwas irreführend ist. Mich wundert es jedenfalls nicht, daß er ziemlich totgeschwiegen wird. Eigentlich witzig, bei ihm ist das genau andersrum als bei Nietzsche. Nietzsches Werke wurden zu seiner Zeit ignoriert, heute gilt er als einer der bedeutenden Philosophen. Spengler wurde zu seiner Zeit heftig diskutiert und danach vergessen.

Die Grundidee, Geschichte morphologisch zu betrachten, um daraus etwas über unsere eigene Zukunft zu erfahren, hat jedenfalls was für sich. Man mag einwenden, daß sich Geschichte nicht wiederhole - was aber nur in der Art stimmt, wie das Drama aufgeführt wird, und nicht bezüglich des generellen Ablaufs. Dafür, daß sie sich angeblich nicht wiederhole, sind die Ähnlichkeiten aber schon sehr bemerkenswert. Im Vergleich zu Nietzsche mit seiner ewigen Wiederkehr, die nur zum Teil als "so-als-ob" gemeint gewesen sein dürfte, finde ich Spenglers Zeitkonzeption wesentlich faktenbasierter.

Ok, wie sieht's aus.. Diskussion dazu gefällig? Aber bitte nur, wenn jemand dazu wenigstens zusammenfassende Sekundärliteratur gelesen hat und nicht nur den Buchtitel. (:


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#2

RE: Untergang des Abendlandes

in allgemeine, religiöse Themen 16.06.2013 10:14
von Demogorgon | 226 Beiträge

Spengler wird heute totgeschwiegen, weil er in die rechte Ecke gestellt wird. Bei Nietzsche hat man das auch versucht, aber es klappte nicht.

Zitat von Daelach im Beitrag #1
Im Vergleich zu Nietzsche mit seiner ewigen Wiederkehr, die nur zum Teil als "so-als-ob" gemeint gewesen sein dürfte, finde ich Spenglers Zeitkonzeption wesentlich faktenbasierter.


Ich finde, Du vergleichst hier Äpfel mit Birnen. Nietzsches ewige Wiederkehr ist eine kosmologische Hypothese, Spenglers These versteht sich als Beitrag zur Geschichtsphilosophie. Das kann man schlecht vergleichen.


"Die Schwachen und Mißratenen sollen zugrunde gehn: erster Satz unsrer Menschenliebe. Und man soll ihnen noch dazu helfen.

Was ist schädlicher als irgendein Laster? – Das Mitleiden der Tat mit allen Mißratnen und Schwachen – das Christentum..."

(Friedrich Nietzsche, Der Antichrist, Kapitel 2)
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#3

RE: Untergang des Abendlandes

in allgemeine, religiöse Themen 16.06.2013 16:51
von Daelach | 1.214 Beiträge

Zitat von Demogorgon
Spengler wird heute totgeschwiegen, weil er in die rechte Ecke gestellt wird.



Links war er auf jeden Fall nicht, aber das spielt ja für seine Aussagen letztlich auch keine Rolle. Immerhin präsentiert er ja keine Ideologie, sondern stellt seine Thesen auf eine recht breite Faktenbasis. Inhaltlich ist er, trotz aller Ablehnung, die ihm entgegenschlug, nie wiederlegt worden.

Zitat
Nietzsches ewige Wiederkehr ist eine kosmologische Hypothese



Halb und halb. Er hatte das eigentlich bei seinen Studien in Paris schon auch naturwissenschaftlich fundieren wollen, ist dann aber nicht mehr dazu gekommen. Deswegen schwankt er dazwischen, ob es nun tatsächlich so sei, oder ob das keine Rolle spielt, weil man jedenfalls so leben sollte "als ob".

Zitat
Spenglers These versteht sich als Beitrag zur Geschichtsphilosophie. Das kann man schlecht vergleichen.



Wenn alles wiederkehrt, dann auch die Geschichte, logischerweise. Dann müßte es eben auch endlose viele Male das Römische Imperium geben und gegeben haben. Nietzsches Standpunkt ist an dieser Stelle gerade nicht evidenzbasiert, sondern um dazu zu kommen, das Hier und Jetzt zu bejahen, verwendet er ja diesen Kunstgriff der Wiederkehr, als radikale Absage an jenseitige Welten. Nur daß diese Ablaufkonzeption selber dann schon wieder hinterweltlich ist, eben weil nicht auf Fakten aus dem Hier und Jetzt gründend.


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#4

RE: Untergang des Abendlandes

in allgemeine, religiöse Themen 23.12.2014 12:55
von Hannibal | 17 Beiträge

Ach ja Spengler. Was für ein Schreibstil. Pure Demagogie, aber vom feinsten. Was mir an ihm sehr sympathisch ist, ist seine fast völlige Freiheit von Rassismus. Für die damalige Zeit, noch dazu für einen Autor deutlich rechts von der Mitte, ist das bemerkenswert.

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#5

RE: Untergang des Abendlandes

in allgemeine, religiöse Themen 28.12.2014 23:02
von Daelach | 1.214 Beiträge

Was an den ganzen historischen Beispielen ist "Demagogie"? Daß es nicht zur herrschenden Meinung paßt? Völlig normal. Das wäre bei den letzten zivilisatorischen Implosionen auch nicht anders gewesen. Bedenke, daß die herrschende Meinung stets die Meinung der Herrschenden ist, und genau die entkoppeln sich im Spätstadium dermaßen von der Realität, daß ihre Maßnahmen üblicherweise die Sachlage nur noch verschlimmern.


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#6

RE: Untergang des Abendlandes

in allgemeine, religiöse Themen 02.01.2015 19:23
von Hannibal | 17 Beiträge

Nö, demagogisch ist seine suggestive Art zu schreiben, seine Art, dem Leser seine Theorien auf subtile Art hineinzuhämmern und das Fehlen rationaler Argumente durch schwammige Poesie zu überdecken. Letztendlich ist seine Behauptung ja absurd. Kulturen sind keine voneinander abgegrenzten Lebewesen die 1000 Jahre bestehen und dann untergehen. Das ist seine Kernaussage und dafür gibt es keine Evidenz und seine Argumentationsweise ist ja auch programmatisch irrational (Tiefe statt Wahrheit nennt er das). Ansonsten steht viel Kluges drin. Ich war übrigens 14 als ich mich durch beide Bände gearbeitet hab und das Buch hat mich damals ziemlich beeinflußt.

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