#1

Jack Londons "Seewolf" als romanhafte Ausgestaltung eines sogen. "Übermenschen" frei nach Nietzsche

in Offtopic Forum 26.11.2014 17:20
von Baeretta | 161 Beiträge

Mag die Figur Wolf Larsen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Seewolf

Falls hier Nietzscheaner sein sollten, wie findet ihr die Darstellung des Romanantihelden in Bezug auf Nietzsches Übermenschenkonzept?




Wer nichts weiß, muss alles glauben.
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#2

RE: Jack Londons "Seewolf" als romanhafte Ausgestaltung eines sogen. "Übermenschen" frei nach Nietzsche

in Offtopic Forum 26.11.2014 21:08
von RAFA | 1.221 Beiträge

Ich hab den Film als Kind gesehen und erinnere mich nur noch an die Szene, als sie den Koch aus dem Wasser zogen, weil ihm ein Hai den Fuß abgebissen hatte. Das fand ich so schrecklich, dass ich es heute noch weiß - den Rest des Films hab ich vergessen.


www.RAFA.at - guckstu auch in meinen Blog: www.RAFAmania.de
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#3

RE: Jack Londons "Seewolf" als romanhafte Ausgestaltung eines sogen. "Übermenschen" frei nach Nietzsche

in Offtopic Forum 27.11.2014 14:50
von Trichocereus magnus | 265 Beiträge

Interessante Fragestellung. Ich hatte das Buch vor Ewigkeiten mal gelesen, war mir aber nie so richtig sicher worauf der Herr London da eigentlich hinauswollte. Als ich an dem ziemlich lahmen Ende des Buches (van Weyden und Maud auf dem Eiland nach Larsen´s Tod) angelangt war, hat sich natürlich unweigerlich die uncoole Schlussfolgerung aufgedrängt, dass der liebe, brave und aufrichtige van Weyden der eigentliche "Held" des Romans sein sollte, im Sinne eines Entwicklungsromans, wo sich der verweichlichte Städter unter widrigsten Bedingungen zu einem harten Kerl mausert, ohne dabei seine humanistischen Ideale zu verlieren. Andererseits wird Larsen von van Weyden zwischendrin auch immer wieder bewundert, dafür dass er es ohne formelle Bildung als Autodidakt und nur durch seine ultraharten Charakterzüge so weit gebracht hat. Van Weyden zeigt sogar Verständnis für Larsen´s psychopathische Charakterzüge, weil Larsen schließlich aus sehr unschönen Verhältnissen stammte, und er ohne seine enorme Agressivität und Härte, und seinen "Willen zur Macht" keine Chance im Leben gehabt hätte. Aus van Weyden´s Sicht ist Larsen daher nur ein extremes Produkt schwieriger Lebensbedingungen, aber London´s Darstellung von Larsen´s Charakter ist einfach viel zu faszinierend, als dass man annehmen könnte, dass van Weyden´s Sicht der Dinge wirklich 1:1 London´s Sicht wiederspiegelt.

Ich glaube sogar London hat van Weyden womöglich nur deshalb als positiven Helden nur eingebaut, um den Antihelden Larsen noch mehr hervorzuheben und v.a. um hinterher nicht als Antihumanist zerrissen zu werden: Nicht dass jemand denken würde, London würde eine Faszination für den Larsen-Charakter propagieren.

Nun bin ich leider kein Nietscheaner und kenn mich mit dem Übermenschenkonzept nicht so gut aus. Klingt natürlich plausibel, dass der Seewolf in diese Richtung geht. Ich denke aber, dass es London mehr so um die Schilderung eines Systems von Gewaltherrschaft ging. Larsen ist ein Psychopath, er hat kein schönes Leben, und alles was er macht ist durchweg nur der allerfieseste Scheiß. Was London mit der Story sagen wollte, ist meiner Meinung nach, dass dieser Defekt in Larsen´s Persönlichkeit (also diese asoziale Agressivität und Empathielosigkeit) ihn kurioserweise zu einem Herrschertypen gemacht hat. Und das ist kein Dummer Gedanke. Ein großteil aller Herrscher in der Menschheitsgeschcihte waren komplett kranke Arschlöcher: beispielsweise die soziale Funktion eines Fürsten des (frühen) Mittelalters bestand im Grunde darin, zu Knechten, zu Strafen und Krieg zu führen - gnadenlos brutaler Gewalttäter als Beruf, wozu natürlich auch die entsprechende Berufung, also charakterliche Disposition dazugehört hat, um darin erfolgreich zu sein. Und das war ein System was Jahrhundertelang so weitergelaufen ist, und zwar in so ziemlich allen Gesellschaften der Erde. Das waren für die meisten Leute damals keine schönen Zeiten, aber das System hat nunmal so funktioniert, und ist lange Zeit sehr stabil geblieben.

Der Seewolf war eben ein eigentlich dysfunktionaler Charakter, der aber seinen psychischen Schaden dazu verwenden konnte, es zu etwas zu bringen. Damit ist er zwar vielleicht kein Vorbild, und erst recht keine Weiterentwicklung des Menschen. Aber er hat das Boot nunmal trotzdem regieren können. Seine Herrschaft hat funktioniert. War nicht schön, war auch nicht nachhaltig, aber war eben so.


zuletzt bearbeitet 27.11.2014 15:24 | nach oben springen

#4

RE: Jack Londons "Seewolf" als romanhafte Ausgestaltung eines sogen. "Übermenschen" frei nach Nietzsche

in Offtopic Forum 29.11.2014 22:55
von Baeretta | 161 Beiträge

"Larsen ist ein Psychopath, er hat kein schönes Leben, und alles was er macht ist durchweg nur der allerfieseste Scheiß. Was London mit der Story sagen wollte, ist meiner Meinung nach, dass dieser Defekt in Larsen´s Persönlichkeit (also diese asoziale Agressivität und Empathielosigkeit) ihn kurioserweise zu einem Herrschertypen gemacht hat. Und das ist kein Dummer Gedanke. Ein großteil aller Herrscher in der Menschheitsgeschcihte waren komplett kranke Arschlöcher: beispielsweise die soziale Funktion eines Fürsten des (frühen) Mittelalters bestand im Grunde darin, zu Knechten, zu Strafen und Krieg zu führen - gnadenlos brutaler Gewalttäter als Beruf, wozu natürlich auch die entsprechende Berufung, also charakterliche Disposition dazugehört hat, um darin erfolgreich zu sein. Und das war ein System was Jahrhundertelang so weitergelaufen ist, und zwar in so ziemlich allen Gesellschaften der Erde. Das waren für die meisten Leute damals keine schönen Zeiten, aber das System hat nunmal so funktioniert, und ist lange Zeit sehr stabil geblieben.

Der Seewolf war eben ein eigentlich dysfunktionaler Charakter, der aber seinen psychischen Schaden dazu verwenden konnte, es zu etwas zu bringen."

Unbedingt. Vielen Dank für diesen ausführlichen und bemerkenswerten Beitrag!




Wer nichts weiß, muss alles glauben.
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#5

RE: Jack Londons "Seewolf" als romanhafte Ausgestaltung eines sogen. "Übermenschen" frei nach Nietzsche

in Offtopic Forum 01.12.2014 17:57
von Daelach | 1.214 Beiträge

Zitat von TM
beispielsweise die soziale Funktion eines Fürsten des (frühen) Mittelalters bestand im Grunde darin, zu Knechten, zu Strafen und Krieg zu führen



Selbstverständlich. Das kommt daher, daß nach dem Zusammenbruch einer Hochkultur erstmal eine Warlord-Phase losgeht, welche ziemlich instabil ist; im Laufe der Zeit stabilisiert sich das dann, und aus den Warlords werden dann die Vorfahren des Adels, aus ihren Söldnerhaufen die Vorfahren der Kriegerklasse. Natürlich gewinnen in dieser Zeit Hippies keine Blumentöpfe. Irgendwann evolviert das dann in einen Feudalismus.

Andererseits hat das auch für die Beherrschten eine Menge Vorteile; so hatte es gute Gründe, wieso sich die Bewohner spätrömischer Provinzen sehr bereitwillig von den Barbarenfürsten haben erobern lassen. Weil es nämlich im Vergleich zum imperialen Spätrom der deutlich bessere Deal war.


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