#16

RE: Interessante Philosophen?

in philosophischer Satanismus 30.03.2011 15:27
von asleif | 113 Beiträge

Moin Chaosmagierin,

hm, ich denk, daß Leben ohne Widersprüche schlechterdings nicht möglich ist. Die Frage ist nur, welches Werte- und Normensystm die geringsten Widersprüche enthält.

ich bin mal so ehrlich und sage, daß ich nicht genau weiß, wie dieses System aussehen sollte. Ein paar Rahmenbedingungen halte ich für wichtig.

Leben, für ein selbst-bewußtes Wesen, bedeutet ja immer, daß man bewußt entscheiden muss, wieviel "Impact" das eigene Leben haben soll bzw. haben darf. 95% der Matschbirnen da draußen machen sich darüber keine oder nur schwach reflektiert Gedanken, und der Rest teilt sich in Menschen, die versuchen den Impact so gering wie möglich zu halten und denen, die bewußt keine Rücksicht nehmen.

Mit "Impact" ist hier gemeint:
- Verbrauch natürlicher Ressourcen
- Verbrauch an physikalischem Raum
- Größe der Einflußsphäre als Teil einer sozialen Gruppe, sowie Art und Form des sozialen Umgangs

Hierzu ist die (bewußte) Entwicklung eines Werte- und Normensystems notwendig, welches diese Parameter definiert. Fragen müssen beantwortet werden, die das soziale, aber auch physische Überleben betreffen.
Ich gehe mal davon aus, daß dir die Definition der begriffe "Werte" und "Normen" im ethischen/philosophischen kontext halbwegs geläufig ist.
Also, zu den Fragen, unter anderem: Welchen Wert bemißt du dir selbst zu, welchen Wert anderen Menschen? Gibt es dabei Abstufungen (Familie, peer group, Nationalität etc.)?
Welchen Wert haben die zur Verfügung stehenden natürlichen Ressourcen a) in Bezug zu dir und b) in Bezug auf andere Menschen (ggf. abgestuft)?

Im Grunde genommen muß diese Wertedefinition permanent neu justiert werden, denn nicht nur deine Vergangenheit (Erziehung, kultureller, sozialer Kontext, ggf. genetische Dispositionen) bestimmen das Werturteil, sondern es kommen ja laufend neue Einflüße dazu.
All diese vergangenen und gegenwärtigen Einflüße mußt du eigentlich permanent reflektieren, was wiederum, Schrödinger lehrt es uns, das Objekt des Betrachtens und unseren Bezug dazu beinflußt.

Nun, auf Basis der Entwicklung der quantitativen und qualitativen Spannbreite deines Wertesystems kannst du dann Normen aufstellen. Tja, und dann kommt's. Die Leute, die verschiedenen sozialen Gruppen, deren Teil du bist, verfügen ihrerseits über individuelle und kollektive Werte- und Normensysteme. Die jeweiligen kollektiven Systeme sind im Idealfall ein Produkt des Konsenses der Mitglieder der jeweiligen sozialen Gruppe, in der Praxis jedoch eher Ergebnis von Mehrheitsentscheiden (immer aber jedoch dynamisch - mal mehr, mal weniger).

Das bedeutet letztenendes: du kannst ein aus deiner Sicht noch so überzeugendes, ausbalanciertes Werte- und Normensystem entwickelt haben - es mißt sich stets an der Realität der Tatsache, daß du als lebendes Wesen Teil einer sozialen Gruppe bist. Der eine mehr, der andere weniger.

Dies bedeutet zwangsläufig, daß man permanent mit Widersprüchen leben muss, die sich nie vollständig ausschalten lassen.

Sensible Menschen können daran zugrundegehen, andere werden wahnsinnig, wieder andere werden erst Recht zu Arschlöchern - verlieren den Kampf aber letztenendes doch, den eines eint uns alle: wir müssen alle sterben.

naja, und aus genau dem Grund bin ich eigentlich Misanthroph, lebe aber praktisch als Philanthroph - gestehe mir selbst aber auch ein Schwanken in diesem Spannungsfeld zu und lebe ganz gut damit, mir selbst zu sagen, daß ich keine endgültige Wahrheit kenne.

Gruß,
asleif

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#17

RE: Interessante Philosophen?

in philosophischer Satanismus 30.03.2011 15:54
von System-Karzinom (gelöscht)
avatar

@asleif:

Zitat
Nun, auf Basis der Entwicklung der quantitativen und qualitativen Spannbreite deines Wertesystems kannst du dann Normen aufstellen. Tja, und dann kommt's. Die Leute, die verschiedenen sozialen Gruppen, deren Teil du bist, verfügen ihrerseits über individuelle und kollektive Werte- und Normensysteme. Die jeweiligen kollektiven Systeme sind im Idealfall ein Produkt des Konsenses der Mitglieder der jeweiligen sozialen Gruppe, in der Praxis jedoch eher Ergebnis von Mehrheitsentscheiden (immer aber jedoch dynamisch - mal mehr, mal weniger).

Das bedeutet letztenendes: du kannst ein aus deiner Sicht noch so überzeugendes, ausbalanciertes Werte- und Normensystem entwickelt haben - es mißt sich stets an der Realität der Tatsache, daß du als lebendes Wesen Teil einer sozialen Gruppe bist. Der eine mehr, der andere weniger.

Dies bedeutet zwangsläufig, daß man permanent mit Widersprüchen leben muss, die sich nie vollständig ausschalten lassen.



Mal eine kurze Anregung meinerseits dazu: Man könnte sich eine "ideale" Gesellschaft perspektivisch durchaus auch demgemäß vorstellen, daß eine spezifische Form des Individualismus gefördert und gelebt würde, die aus Aspekten wie Scheißegalgefühl gegenüber anderen (im Sinne Deiner als Philanthrop gelebten Misanthropie), Bereitschaft zur konsequenten Eigenverantwortung (ohne Hierarchien und höhere Instanzen) und Hang zur reflektierten Egozentrik zu einer Form des sozialen Umgangs führt, der ohne ein dogmatisches Wertesystem jedem Individuum den jeweils gewünschten Freiraum überließe. In unserer Zeit ist dieser Gedanke illusorisch, aber nehmen wir hypothetisch an, der Mensch könne sich in einen mentalen Zustand entwickeln, der sich ihn als Teil der Existenz begreifen ließe, was de facto bedeuten könnte, daß er anderes Leben nicht zwingend schützen bzw. lieben, aber immerhin dessen Integrität akzeptieren könnte, wäre das eine tragfähige Basis für einen Konsens ohne ethische Setzungen. Es ginge lediglich darum zu begreifen, daß Zerstörung der Lebensgrundlage verzögerter Suizid ist, ohne daß humanistische Thesen Einzug in eine Wertsetzung halten müssten.

So würde ich mir eine Gesellschaft als funktional denken, allerdings ist mir bewußt, daß dieses Modell letztlich Theorie bleiben wird.

Zitat
naja, und aus genau dem Grund bin ich eigentlich Misanthroph, lebe aber praktisch als Philanthroph - gestehe mir selbst aber auch ein Schwanken in diesem Spannungsfeld zu und lebe ganz gut damit, mir selbst zu sagen, daß ich keine endgültige Wahrheit kenne.



Man verachtet den Menschen in dem Maße, in welchem er zerstört, was Lebensgrundlage ist. Da denke ich sehr ähnlich.




Befreiungsschlag-Netzpräsenz

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#18

RE: Interessante Philosophen?

in philosophischer Satanismus 30.03.2011 16:09
von asleif | 113 Beiträge

Moin System-Karzinom,

Zitat von System-Karzinom
Mal eine kurze Anregung meinerseits dazu: Man könnte sich eine "ideale" Gesellschaft perspektivisch durchaus auch demgemäß vorstellen, daß eine spezifische Form des Individualismus gefördert und gelebt würde, (...) Bereitschaft zur konsequenten Eigenverantwortung (ohne Hierarchien und höhere Instanzen) (...) zu einer Form des sozialen Umgangs führt(...). (...) was de facto bedeuten könnte, daß er anderes Leben nicht zwingend schützen bzw. lieben, aber immerhin dessen Integrität akzeptieren könnte, wäre das eine tragfähige Basis für einen Konsens (...). Es ginge lediglich darum zu begreifen, daß Zerstörung der Lebensgrundlage verzögerter Suizid ist, (...).


Exactly, you've got the point. Bis auf den Punkt, daß "scheißegal" nicht möglich ist und jede Betrachtung eine ethische In-Wert-Setzung bedeutet. Aber vom Ergebnis her, ja.

Zitat von System-Karzinom

So würde ich mir eine Gesellschaft als funktional denken, allerdings ist mir bewußt, daß dieses Modell letztlich Theorie bleiben wird.


Dito.

Zitat von System-Karzinom
Man verachtet den Menschen in dem Maße, in welchem er zerstört, was Lebensgrundlage ist. Da denke ich sehr ähnlich.


*nick*

Gruß,
asleif

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#19

RE: Interessante Philosophen?

in philosophischer Satanismus 30.03.2011 17:11
von Chaosmagierin | 45 Beiträge

@ asleif:

Zitat

Welchen Wert bemißt du dir selbst zu,



Wenn ich ehrlich bin, einen sehr hohen. Das liegt aber nicht an persönlicher Eitelkeit sondern an meinem "Menschen"-Typ (zum Thema Menschentyp möchte ich morgen auch einen ausführlichen Thread machen)


Zitat

welchen Wert anderen Menschen?


Och, das hängt ganz davon ab um welchen "Menschen" es sich handeln tut. Ich habe da aber mit Sicherheit Abstufungen :-).



Zitat

Gibt es dabei Abstufungen (Familie, peer group, Nationalität etc.)?


Ja, gibt es. Da ich dazu morgen aber einen ganzen Thread machen möchte, bitte ich um etwas Geduld, okey?


Zitat

Welchen Wert haben die zur Verfügung stehenden natürlichen Ressourcen a) in Bezug zu dir


Meinst du physikalische Ressourcen? Wenn ja, dann kann ich dir sagen, dass sie für mich einen gewissen Wert haben. Ich brauche sie zum Leben, zum Teil kann und will ich auf sie nicht verzichten. Was den Verbrauch angehen tut, so versuche ich mich fair zu verhalten und denke, dass mir das in den allermeisten Fällen auch gelingen tut :-).



Zitat

und b) in Bezug auf andere Menschen (ggf. abgestuft)?


Das kann ich dir nicht sagen, das musst du die anderen Leute schon selber fragen. Prinzipiell denke ich aber, dass sie ähnliche Rechte haben wie ich. Aber mir scheint, du meinst nicht die physikalischen Ressourcen, oder?


MfG,
Chaosmagierin

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#20

RE: Interessante Philosophen?

in philosophischer Satanismus 31.03.2011 18:52
von asleif | 113 Beiträge

Zitat von Chaosmagierin

Das kann ich dir nicht sagen, das musst du die anderen Leute schon selber fragen. Prinzipiell denke ich aber, dass sie ähnliche Rechte haben wie ich. Aber mir scheint, du meinst nicht die physikalischen Ressourcen, oder?


MfG,
Chaosmagierin


ich meine physikalische Ressourcen genau, wie nicht-materielle. Aber der Kern ist ja: wenn du dir das Menschsein und damit bestimmte Bedürfnisse und Bedarfe, Rechte usw. zugestehst, stimmt dies auch für jeden anderen Menschen. Der Konflikt entsteht, sobald sich zwei oder mehr Leute begegnen oder miteinander leben. Dann muss ein gemeinsames Werte- und Normensystem entwickelt oder verhandelt werden.

Gruß,
asleif

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#21

RE: Interessante Philosophen?

in philosophischer Satanismus 31.03.2011 19:28
von Daelach | 1.214 Beiträge

Zitat von asleif
Aber der Kern ist ja: wenn du dir das Menschsein und damit bestimmte Bedürfnisse und Bedarfe, Rechte usw. zugestehst, stimmt dies auch für jeden anderen Menschen.



Nö. Wenn man sich die Welt mal ansieht, ist das auch offensichtlich. Würden wir allen dieselben Rechte insbesondere betreffs Wohlstand zugestehen wie uns, könnten wir nicht so leben, wie wir es tun.


~ a star is nothingness disguised as light ~

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#22

RE: Interessante Philosophen?

in philosophischer Satanismus 31.03.2011 19:55
von asleif | 113 Beiträge

Das war nicht das, was ich gemeint habe, aber da weißt du ja vermutlich.

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#23

RE: Interessante Philosophen?

in philosophischer Satanismus 31.03.2011 20:17
von Chaosmagierin | 45 Beiträge

@ asleif: Was meinst du denn mit nichtmateriellen Ressourcen? Kannst du das definieren?

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#24

RE: Interessante Philosophen?

in philosophischer Satanismus 31.03.2011 20:25
von asleif | 113 Beiträge

Zeit, Bildung, Wissen und dergleichen.

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#25

RE: Interessante Philosophen?

in philosophischer Satanismus 31.03.2011 23:22
von Daelach | 1.214 Beiträge

@ asleif: Für mich ging das schon sehr in Richtung kategorischer Imperativ - und der hat nicht nur die Praxis gegen sich, sondern auch die Theorie.


~ a star is nothingness disguised as light ~

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#26

RE: Interessante Philosophen?

in philosophischer Satanismus 31.03.2011 23:26
von asleif | 113 Beiträge

Zitat von Daelach
@ asleif: Für mich ging das schon sehr in Richtung kategorischer Imperativ - und der hat nicht nur die Praxis gegen sich, sondern auch die Theorie.


Ja, du hast Recht. Da sind wohl die Pferde mit mir durchgebrannt. ich schäme mich.

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