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"Schicksal", Zen und jede Menge Mindfuck
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"Schicksal", Zen und jede Menge Mindfuck
in allgemeine, religiöse Themen 08.06.2011 01:38von Xarvic • | 533 Beiträge
Auch auf die Gefahr hin, dass sowohl durch unzureichende Denkprozesse, als auch durch meine Müdigkeit, daran schon von Anfang an irgendwas zu bemängeln sein könnte/wird, will ich mal diese Überlegung in den Raum werfen:
Ich gehe mal grundsätzlich von einem determinierten Willen aus, auch wenn ich durchaus auch Anzeichen für eine Art "Unbefangenheit" erlebt habe, aber nicht im Sinne von "Unabhängigkeit", denn wäre der Wille von allem unabhängig, hätte er keinen Bezug mehr zu irgendwas und wäre nichtig. Eine "Freiheit" im Sinne von tieferem Verständnis und Blick auf die Knochen des Weltkörpers scheint mir dennoch sehr wohl möglich zu sein und auch, dass diese Entscheidung, oder der Weg dahin, nicht unbedingt vollkommen von außen bestimmt wird.
Nun zur Überlegung an sich: Mir ist aufgefallen, dass jeder Wille ein gewisses Lernpotenzial besitzt, wenn er sich im Handeln manifestiert. Man erkennt dadurch sowohl, wie man Dinge effizient umsetzen kann, als auch, was man eigentlich wollte. Handeln und Denken, Praxis und Theorie, klaren gewisser Weise auf. Interessant finde ich nun die Tatsache, dass bei einer angenommenen Situation X mit 3 Möglichkeiten nur eine davon gewählt wird. Wenn ich zum Kühlschrank gehe und zwischen 3 verschieden belegten Tiefkühlpizzen wählen muss und nur Hunger auf eine habe, werde ich mir letztlich nur eine herausnehmen. Unter Bezugnahme auf den freien Willen wäre es ja jetzt nicht möglich, als eigenständiges, unabhängiges Individuum (was man meiner Meinung nach nicht ist) hier vorherzusagen, welche Pizza man auswählt (was interessanterweise eine subtile Form von Machtzuspruch ist, "du kannst entscheiden"). Unter Bezugnahme auf den determinierten Willen wäre es jetzt sehr wohl möglich, als von außen bestimmtes, abhängiges Wesen im Ganzen (was phänomenologisch schon eher meiner Meinung nach der Realität entspricht) hier vorherzusagen, welche Pizza man auswählt (was für viele wohl eine Enttäuschung sein mag, da oben genannte Macht einem wieder abgesprochen wird, wobei Macht ja eigentlich ein Gefühl/Bewusstsein ist, keine Idee). Worauf ich hinaus zu kommen versuche ist, dass egal, wie ich mich entscheide, ich mich nur für eine Sache entscheide und das die günstigste sein sollte. Tatsächlich ist das aber nicht nach dem Maß des gelernten der Fall, sondern nach dem des noch zu lernenden. Ich kann mir bewusst sein, dass ich etwas nicht meinem eigentlichen Willen nach mache und Ängste etc. dazwischenschiebe und somit tatsächlich eine Fehlentscheidung bewusst und "willentlich" herbeiführe, dann anschließend die Erfahrung mache, das eigentlich gewollte aufgrund dieser Ängste/Blockaden nicht erreicht zu haben und sowohl das gewollte, als auch die Blockaden neu bewerte, was im Optimalfall dazu führt, dass man die Blockaden relativiert und den eigenen Willen in der Prioritätsliste weiter nach oben schiebt. Phänomenologisch interessant ist jetzt, dass man teilweise Fehler machen will und muss, um daraus zu lernen. Könnte es also nicht sein, dass egal, wie alltägliches jetzt ausgeht (Erfolg/Misserfolg, Fortbestand/Überwindung von Ängsten/Blockaden), letztlich immer ein Lerneffekt dahintersteckt und irgendwo auch eine Erfüllung oder Besserung und man so letztlich tatsächlich von einer Art Schicksal oder göttlichem Plan sprechen KÖNNTE? Ist nur ein unfundiertes Postulat, keine tatsächliche Einstellung meinerseits und irgendwo kommt es mir so vor, als hätte ich eine Stufe auf dieser Treppe noch nicht gefunden oder übersprungen...
Könnte auch eine abstrahierte Version diversen Zen-"Gedankenguts", bzw. Interpretationen von Erfahrungen damit, sein, die ich versuche, in mir bekannte logische Muster zu zwängen. Immerhin ist ja der populäre "freie Wille" von seiner Beschaffenheit in Bezug auf den Determinismus irgendwie dem Charakter der Diskussion "Atheismus-Theismus" ähnlich. Eine Art Antithese zur kausal fundierten Behauptung "du hast keine Entscheidungskraft", wobei außen vor gelassen wird, dass, egal, ob determiniert, oder frei im Willen, man das vorher auch schon war (wenn ich das als Prämisse so behaupte, dass der Wille sich nicht in seiner Beschaffenheit ändern kann, schon immer in einem der beiden Modi verweilte und nicht beides oder etwas drittes sein kann) und man letztlich vor der Erkenntnis oder der Vorstellung dieses Determinismus ja auch glücklich und "frei" war, ergo der Determinismus einem nicht die Suppe versalzt, sondern die eigene Vorstellung.
Im Zusammenhang damit finde ich im Zenbuddhismus auch immer wieder etwas von universellem Bewusstsein, weniger auf einer spirituellen Glaubensschiene, als viel mehr in einer Art des Bewusstseins, dass man mit allem verbunden ist und tatsächlich auch mit unschönen Ereignissen zufrieden sein kann, ohne seine Motivation zur Veränderung der Umstände zu verlieren oder zu mindern. Das ist noch so ein Punkt, den ich noch nicht ganz festgenagelt zu haben scheine: Durch Zen hat sich weder meine Logik widerlegt oder bestätigt, noch hat sich die emotionale Stärke meiner Urteile oder deren Beschaffenheit verändert, auch die Resultate meiner Überlegungen waren ähnlich bis gleichbleibend produktiv. Tatsächlich erfahre ich aber eine vorher nicht dagewesene Zufriedenheit mit mir selbst und den Dingen, wie sie sind, sie kommen mir natürlicher, vertrauter vor, als wäre ich nicht mehr getrennt von dem, was um mich herum ist. Ich denke zwar noch in Kategorien von "ich" und "du", aber die Grenzen vieler Vorstellungen dünnen doch nach und nach aus, als wäre jeder Gedanke, der mir durch den Kopf geht, ein nicht ausreichender Versuch, den jetzigen, ewigen Moment zu erleben. Zeit existiert mMn nicht, denn Vergangenheit ist nicht (mehr) existent und Zukunft (noch) nicht. Es bröselt alles vor sich hin irgendwie und ich versuche das hier halbwegs zusammenhängend textlich auszudrücken, auch wenn ich noch nicht ganz sicher bin, dass mir das ein ähnliches Erfolgsgefühl verschaffen wird, wie vorhergegangene Diskussionen :)
Das auffällige ist, dass selbst, wenn die vorübergehende Welle von Zufriedenheit in Form eines Gefühls verflogen ist und eine Art Tief folgt, ich immer noch eine gleichartige, nicht-emotionale Verbundenheit spüre, die sich immer und immer wieder in eben diesen Gefühlen zu manifestieren scheint. Fast wie die Gravitation, die durch die Wirkung des theoretischen Higgs-Feldes auf Higgsteilchen entsteht. Schwer zu beschreiben, aber vielleicht findet ja jemand was in diesen unbeholfenen Worten wieder. Ach und eines noch dazu: Ich weiß, dass ich nichts weiß, selbst im Zen-mäßigen Sinne. Meinem Horizont nach kann man selbst das ganze Universum im Traum gespürt haben, wie "Gott" es zu tun vermag, und dennoch hat man nichts von Bedeutung erlebt. "Erleuchtung" in dem Sinne ist nichts temporales, es ist eine permanente, in jedem Zustand und Zeitpunkt vorhandene Klarsicht auf die Dinge, die man aber halt durch Streben nicht erreichen kann. Aber gut, genug davon, zurück noch einmal zu meinem Schicksalsproblem:
Der klassischen Vorstellung nach gibt es ein richtig und ein falsch, tatsächlich sieht man auch, dass A zu B führt, während C zu D. Dennoch muss ich irgendwie manchmal Umwege gehen, auch wenn die theoretische Möglichkeit, den geraden Weg zu gehen, da ist. Gleichzeitig funktioniert es immer wieder aus ungewöhnlich banalen, spontanen und unerwarteten Gründen, dass ich gewisse Umwege brachial verwerfe und wie ein Irrer frontal in die Situation einsteige, was dann häufig immensen Erfolg nach sich zieht. Interessant ist hierbei nun, dass sowohl im Erfolg, als auch im Misserfolg, für mich eine gewisse Befriedigung existiert, da ich u.a. bei ersterem weiß, DASS ich was geschafft habe (+) und dass es auch wieder anders kommen wird (Zweifel, Verlustängste, etc; (-) ), was letztlich eine Art Nullgleichung ergibt, ganz genauso wie der Misserfolg (-), aus dem ich die Gewissheit ziehe, dass ich in Zukunft es so und so besser machen kann und werde (+). Das vermeintlich paradoxe ist, dass ich beim Erfolg insgesamt nicht schlechter besser drauf bin, als beim Misserfolg und es mir dennoch nicht vorstellen könnte, Anstrengungen, die am besten unweigerlich zum Erfolg führen, sein zu lassen.
Ich habe das alles einfach mal grob niedergeschrieben und auch ein paar mal gelesen, kann aber nicht wirklich grad was dran ändern, deshalb lasse ich es einfach mal so stehen :)
RE: "Schicksal", Zen und jede Menge Mindfuck
in allgemeine, religiöse Themen 15.06.2011 07:56von Daelach • | 1.214 Beiträge
Moin Xarvic,
ein sehr vielschichtiges Posting, bei dem ich es schade fände, wenn keiner was dazu sagt.
zur Determiniertheit: wenn die verfügbaren Optionen so sind, daß die Auswahl vorhersehbar ist, dann ist das natürlich determiniert, von außen betrachtet. Das kann man auch sehr schön zur Manipulation benutzen, indem man die Optionen soweit verengt, daß man weiß, was der andere machen wird. Rhetorisch ist dieser Trick auch als "falsches Dilemma" bekannt.
Andererseits ist Zufälligkeit nicht unbedingt ein notwendiger Bestandteil von Wille, ich erinnere nur an das Rockerparadoxon (s. http://de.wikipedia.org/wiki/Rocker - Abschnitt "Rocker in der Gesellschaft"). Es reicht, wenn sich die Optionen auf eine einzige verengen, solange es die ist, die man sowieso haben will.
Zitat
Man erkennt dadurch sowohl, wie man Dinge effizient umsetzen kann, als auch, was man eigentlich wollte.
Frei nach dem Motto: Woher soll ich wissen, was ich will, bevor ich nicht sehe, was ich tue *g*
Zitat
Interessant finde ich nun die Tatsache, dass bei einer angenommenen Situation X mit 3 Möglichkeiten nur eine davon gewählt wird.
Jedenfalls in der Realität, die wir dann erleben. Man könnte hier auch auf die viele-Welten-Theorie paralleler Realitäten verweisen.
Zitat
Könnte es also nicht sein, dass egal, wie alltägliches jetzt ausgeht (Erfolg/Misserfolg, Fortbestand/Überwindung von Ängsten/Blockaden), letztlich immer ein Lerneffekt dahintersteckt und irgendwo auch eine Erfüllung oder Besserung und man so letztlich tatsächlich von einer Art Schicksal oder göttlichem Plan sprechen KÖNNTE?
Da möchte ich einwenden, daß die Sinnzuschreibung erst im Nachhinein erfolgt - WENN sie denn überhaupt erfolgt. Es mag im Nachhinein wie ein Plan aussehen, aber das heißt nicht, daß auch ein Plan im Vorheinein bestanden haben muß. In dem Moment, wo Wille da ist, war er es schon immer.
Zitat
als wäre jeder Gedanke, der mir durch den Kopf geht, ein nicht ausreichender Versuch, den jetzigen, ewigen Moment zu erleben
Schön beschrieben.
Zitat
Zeit existiert mMn nicht, denn Vergangenheit ist nicht (mehr) existent und Zukunft (noch) nicht.
Ich würde es so beschreiben, daß Zeit eine Kategorie des Bewußtseins ist, anhand derer wir in dieser Realität unsere Gedanken sortieren, weil es praktisch gut funktioniert.
Wenn Du Dich für Zen interessierst, könnte als interessante Perspektive auf japanische Denkweise vielleicht das Hagakure etwas für Dich sein, obwohl es mit Zen selber eigentlich nichts zu tun hat. Aber etliche Gedanken darin gehen in eine interessante Richtung.
~ a star is nothingness disguised as light ~
RE: "Schicksal", Zen und jede Menge Mindfuck
in allgemeine, religiöse Themen 17.06.2011 11:26von Xarvic • | 533 Beiträge
Jo, danke erstmal für die Antwort
Ich bin selbst noch am überlesen und nachdenken, wo mir auch gleich was zum Thema der Freiheit/Abhängigkeit einfällt:
Freiheit ist auch an Bezüge gebunden, nämlich Freiheit WOVON? Entscheidungsfreiheit ist nicht bezugsfrei, sondern zwangfrei. Sprich man hat X Auswahlmöglichkeiten, aber keinen direkten Zwang, eine davon zu wählen (auch wenn man das Bedürfnis hat, eine Möglichkeit auszuwählen). Metaphorisch umschrieben liegt in meinen Gedanken grade der Unterschied zwischen Freiheit und Unfreiheit darin, dass ein Mensch, der zwischen einer Schoko- und einer Erdbeertorte wählen kann bei der Freiheit das einfache, ruhige Bedürfnis hat, eine Torte zu essen und sich dann entscheidet, während die Unfreiheit etwa darin bestehen könnte, dass jemand mit einer Waffe an seinem Hinterkopf ihn zu der Entscheidung zwingt. Es ist also viel weniger die Entscheidung an sich, oder die Möglichkeiten (?), sondern die Umstände, unter denen die Entscheidung getroffen wird. Zudem wohl auch die Einstellung zu den Reaktionen auf die Umstände und die Entscheidung an sich, denn (wieder Zen) man kann diverse Dinge und auch Reaktionen unterschiedlich betrachten. So hat sich durch Zen bei mir nichts wirklich verändert und doch irgendwie alles. Selbst wenn es mir scheiße geht, geht es mir gut. Hängt wohl irgendwie mit der "Weisheit der Auswegslosigkeit" zusammen.
Zitat von Daelach
Wenn Du Dich für Zen interessierst, könnte als interessante Perspektive auf japanische Denkweise vielleicht das Hagakure etwas für Dich sein, obwohl es mit Zen selber eigentlich nichts zu tun hat. Aber etliche Gedanken darin gehen in eine interessante Richtung.
Nun rate mal, welches Werk ich als .pdf auf Englisch seit längerem am Lesen bin? Richtig
Der Schinken liegt auch in der deutschen Übersetzung von Guido Keller als Buch auf meinem Tisch, aber die Übersetzung ist dermaßen schlecht... ich maße mir einfach an, den Geist der Schrift verstanden zu haben und Keller bringt das 0 rüber. Habe den japanischen Originaltext nicht gelesen und daher wohl auch nicht verstanden, aber die englische Übersetzung hat schon ein sehr stimmiges und teils auch fremdes, aber nachvollziehbares Bild vermittelt, demnach ich sagen kann, dass Keller gnadenlos falsch übersetzt und wohl auch nicht viel verstanden hat.
Die Version, die ich gelesen habe, ist diese hier:
http://www.rosenoire.org/archives/Hagakure.pdf
Sie ist leider unvollständig und wie ich zu wissen meine, besteht das gesamte Hagakure aus etwa 1300 Stücken. Ich habe nicht gezählt, aber ich kann mir vorstellen, dass auch in dieser Version einige Stücke fehlen. Wenn du also eine gute englische Übersetzung hast, die möglichst vollzählig ist, wäre ich dir sehr verbunden auf deutsch halte ich dank Keller weniger davon, einen erneuten Versuch wäre es aber natürlich auch wert. Beide Sprachen haben wohl ihre Vor- und Nachteile... Deutsch ist mMn um einiges besser geeignet, komplexe Verhältnisse sehr präzise auszudrücken, während Englisch das auf einer simpleren Weise zu tun vermag. Dem Inhalt des Werkes nach eignet sich da Englisch natürlich um einiges besser für, denn die dort beschriebene Philosophie ist ja sehr Praxisorientiert und nicht allzu theoretisch.
Weitere Gedanken folgen sicherlich bald
RE: "Schicksal", Zen und jede Menge Mindfuck
in allgemeine, religiöse Themen 16.04.2014 17:06von Frater dKIŠ.UNU • | 38 Beiträge
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