#1

Runen

in allgemeine, religiöse Themen 28.05.2013 23:07
von Daelach | 1.214 Beiträge
Eine Fortsetzung aus einem anderen Thread.

Zitat von Demogorgon
Gibt es irgendein Standardwerk zum Thema Runen, das Du empfiehlst?



Kommt drauf an, was genau Du Dir vorstellst.

"Klaus Düwel - Runenkunde" würde ich empfehlen, wenn es um die eher historisch-weltlichen Grundlagen geht, also was man denn tatsächlich weiß. Der Autor war Professor für deutsche Philologie an der Uni Göttingen. Das ist deswegen empfehlenswert, damit man bei anderen Autoren Fakten von eigener Interpretation unterscheiden kann. Alles darüberhinaus, wo es einen esoterischen Einschlag nimmt, ist dann Geschmackssache.

Die Bücher von Edred Thorsson sind umfangreich, er hat keltische und germanische Philologie studiert und seinen Ph.D. darin gemacht. Er ist ranghohes Mitglied im Temple of Set und hat losgelöst davon eine "Runengilde" gegründet, die sich dem esoterischen Teil der Runen widmet. Die Bücher sind empfehlenswert, wenn man es strukturiert mag - andernfalls wirken sie vielleicht auch etwas starr. Die gehen so in die Richtung "so und so geht das".

Im Gegensatz dazu von Jan Fries das Helrunar, mit deutlich thelemitischem Einschlag, was gelegentlich etwas chaotisch wirkt, aber gerade dadurch auch seinen Charme entwickelt. Die Richtung ist mehr "alles kann, nichts muß".

Dazwischen irgendwo von Igor Warneck - Ruf der Runen.

Skeptisch wäre ich immer dann, wenn ein Buch im Wesentlichen auf dem Futhark mit 18 Runen beruht (Armanenfuthark), denn das ist kein historisches Futhark, sondern ein frei erfundenes, siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Guido_von_List . Was nicht heißt, daß man damit nicht auch arbeiten könnte, aber ich ziehe das 24er vor. Ob man ein Problem damit hat, daß das 18er einen ziemlich rechtsesoterischen Kontext hat, muß jeder mit sich selber ausmachen.

Das sehe ich übrigens als Verdienst bei Thorsson, denn bis in die 1970er rein fußten die allermeisten esoterischen Runenbücher zumal im deutschsprachigen Raum auf dem 18er Futhark, während Thorssons Werke das Interesse wieder auf das 24er gelenkt haben. Heute ist das 24er das allgemein übliche.


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#2

RE: Runen

in allgemeine, religiöse Themen 16.06.2013 10:08
von Demogorgon | 226 Beiträge

An dieser Stelle vielen Dank für die Literaturtips. Werde ich mir mal bei Gelegenheit anschaffen.


"Die Schwachen und Mißratenen sollen zugrunde gehn: erster Satz unsrer Menschenliebe. Und man soll ihnen noch dazu helfen.

Was ist schädlicher als irgendein Laster? – Das Mitleiden der Tat mit allen Mißratnen und Schwachen – das Christentum..."

(Friedrich Nietzsche, Der Antichrist, Kapitel 2)
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#3

RE: Runen

in allgemeine, religiöse Themen 04.08.2013 23:23
von Too Mega Therion | 53 Beiträge

Wenn ich mich kurz einmischen darf, das 24er ist das einzig wahre! Die anderen, 18er, beruhen auf theosophischen "Erkenntnissen"! Das sind eher "ariosophische" Geschichten"!


DO, WHAT THOU WILT, SHALL BE THE WHOLE OF THE LAW!
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#4

RE: Runen

in allgemeine, religiöse Themen 10.07.2014 03:13
von Trichocereus magnus | 265 Beiträge

Tschuldigung, ich muss mal ein paar dumme Fragen stellen. Wozu genau verwendet ihr diese Runen?

Ich kenn mich nicht aus, kein Plan von nordischer Mythologie. Mir ist klar, dass diese Zeichen nur selten mal benutzt worden sind, um wirklich was damit zu schreiben, und dass stattdessen jede einzelne Rune für sowas wie ein "philosophisches Konzept" steht. Wie ach immer, was die alten Germanen dadamit gemacht haben, kann man nachlesen; aber sagt mal, ihr Zeitgenossen des 21. Jahrhunderts, was macht ihr denn eigentlich für Zeugs damit? Wahrsagen? Chaosmagisches Brainstormen? Oder bastelt ihr kleine Fluchtäfelchen, oder was?

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#5

RE: Runen

in allgemeine, religiöse Themen 11.07.2014 00:13
von Daelach | 1.214 Beiträge

Man kann beispielsweise seine Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Rune richten, deren Bedeutung man gerade gebrauchen könnte. So hatte ich beispielsweise mal ein Motorrad-Wochenende mit wirklich fiesen Wettersturz, so daß ich auf dem Rückweg mehrere Stunden bei Temperaturen um die 2°C klarkommen mußte. Mit Regen, der abschnittsweise in Schneeregen und Hagel überging. Was ich an Aufmerksamkeit nicht fürs Fahren brauchte, konnte ich dann auf Sowelo richten, die Sonnenrune. Effektiv eine stundenlange Runenmeditation. Der Effekt war, daß mir zwar physisch immer noch saukalt war, aber der gedankenlähmende Effekt der Kälte blieb aus, und nichtmal ne Erkältung gab's.

Divination kann man damit natürlich auch machen, wozu sich übrigens das germanische Zeitkonzept anbietet, das sich von dem heute üblichen massiv unterscheidet. In den meisten schlechten Esobüchern werden Urd, Verdandi und Skuld kurzerhand mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichgesetzt - obwohl schon anhand der Namen eigentlich offensichtlich sein sollte, daß das nicht hinkommt.

Im Übrigen ist es bezüglich der magischen Anwendung im historischen Sinne keineswegs so, daß man sich dabei zuvorderst auf die ideographische Komponente der Runen gestützt hätte. Es gibt auch zahlreiche Fundstücke mit formelhaften Wendungen, die mit Runen geschrieben wurden, was grundsätzlich aber auch mit jeder anderen Schrift funktioniert hätte. Den Punkt dabei zu verstehen fällt uns mit dem Hintergrund unserer Schriftkultur heute schwer, aber damals war das eben eine mündliche Kultur.

Ansonsten 21. Jahrhundert - ja und? Das ist die übliche rationalistische Phase im Lebenszyklus einer Kultur, und diese Phase neigt sich bereits langsam ihrem Ende zu. Die "zweite Religiosität" steht an.


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#6

RE: Runen

in allgemeine, religiöse Themen 31.07.2014 11:31
von Trichocereus magnus | 265 Beiträge

Zitat von Daelach im Beitrag #5
Im Übrigen ist es bezüglich der magischen Anwendung im historischen Sinne keineswegs so, daß man sich dabei zuvorderst auf die ideographische Komponente der Runen gestützt hätte. Es gibt auch zahlreiche Fundstücke mit formelhaften Wendungen, die mit Runen geschrieben wurden, was grundsätzlich aber auch mit jeder anderen Schrift funktioniert hätte..


Dem Herrn Düwel zufolge dachte man wahrscheinlich lange Zeit zu Unrecht, dass die Runen damals fast ausschließlich zu kultischen, und dabei wiederum fast ausschließlich ieographisch verwendet worden sind, weil der Großteil der erhaltenen Fundstücke eben nur aus Gräbern oder Horten stammen, wo überwiegend nur kultische oder sehr wertvolle Gegenstände mit entsprechend bedeutungsschwangeren Beschrifungen gefunden worden sind; wahrscheinlich gabs auch hauffensweise Alltagsgegenstände wo was profanes draufgekritzelt war, aber die sind eben mit der Zeit fast alle verrottet und verrostet.

Dem Düwel seine Runenkunde is schon echt ein klasse Buch. Selten was gelesen was so kritisch und aus so vielen möglichen Perspektiven an ein Thema rangeht. Der hats drauf, der Mann, das Bundesverdienstkreuz was er neulich gekriegt hat, hat er sich verdient.

Ursprünglich hat der Düwelsklaus ja vorgehabt, in der dritten Auflage noch ein zusätzliches Kapitel über den esoterischen Runenhype unserer heutigen Zeit zu schreiben, aber er hats dann sein lassen weil ihm das Thema zu uferlos vorgekommen ist, und er wohl auch keinen Bock hatte, sich so übermäßig viel von diesem kaum fundierten, wild zusammengesponnenen, teils braunesoterisch angehauchten Quark da reinzuziehen. Find ich aber eigentlich schade. Es is zwar schön und gut, ein bisschen bescheid zu wissen, wie die alten Germanen denn so getickt haben, aber ich würd mir mal eine ebenso sachliche und gut fundierte Arbeit über die heutige Eso-Szene wünschen.

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#7

RE: Runen

in allgemeine, religiöse Themen 31.07.2014 16:45
von Daelach | 1.214 Beiträge

Zitat von TM
wahrscheinlich gabs auch hauffensweise Alltagsgegenstände wo was profanes draufgekritzelt war, aber die sind eben mit der Zeit fast alle verrottet und verrostet.



Es gibt durchaus profane Fundstücke, so etwa ein Schemel, auf dem "Schemel" steht, oder ein Kamm, auf dem "Kamm" steht. Oder ein Knochenstück mit der Aufschrift "Küß mich". (Alles in Übersetzung natürlich).

Aber Fakt ist auch, daß die germanische Kultur keine Schriftkultur war, sondern eine mündliche.

Wenn Du Dich für sowas Wissenschaftliches interessierst, sei als zweites Standardwerk noch "Krause - Runen" empfohlen.

Und ein relativ junger Einwurf zur Frage des Ursprungs der Runen, der noch in keinem Standardwerk zu finden ist, weil er noch in Diskussion ist, aber an Plausibilität hat er eine Menge für sich, daß sie nämlich von den Karthagern herrühren:

https://www.uni-muenchen.de/aktuelles/pu...en/072/0721.pdf

Zitat
aber er hats dann sein lassen weil ihm das Thema zu uferlos vorgekommen ist, und er wohl auch keinen Bock hatte, sich so übermäßig viel von diesem kaum fundierten, wild zusammengesponnenen, teils braunesoterisch angehauchten Quark da reinzuziehen.



Wenn Du Dich speziell für eine wissenschaftliche Aufbereitung gerade der Braunesoterik interessierst, sei Dir "Clarke-Goodrick: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus" ans Herz gelegt, das basiert auf der Doktorarbeit des inzwischen verstorbenen britischen Religionswissenschaftlers Clarke-Goodrick. Liest sich recht trocken, ist eben kein Unterhaltungsbuch, aber sehr fundiert.

Darauf basiert übrigens die DVD "Rüdiger Sünner - Die schwarze Sonne", die das zusammengefaßt aufbereitet. Natürlich fehlt dabei die Tiefe, dafür kann man mit etwa anderthalb Stunden Aufwand sich einen sehr groben Überblick verschaffen und entscheiden, ob einen das tiefer interessiert.

Ansonsten bin ich bei diesem Teil des Düwel skeptisch, weil seine Ablehnung nicht etwa daher kommt, daß Runen in der heutigen Esoterik z.T. auch ohne geschichtswissenschaftlich haltbare Aspekte angewandt werden. Das ist angesichts der recht dünnen Quellenlage gar nicht anders machbar. Ebenso wie Asatru ja nicht etwa "die Religion der alten Germanen" sein kann (auch wenn das so mancher Clan in der Asatru-Mafia gar nicht gerne hört), sondern notwendig rekonstruiert ist.

Nein, Düwel steht vielmehr auf einem notorisch rationalistischen Standpunkt, das ist der Grund seiner Ablehnung. Und hier sollte er sich mal z.B. mit den Arbeiten von C.G. Jung vertraut machen, weil sein Glauben (!) an die Vernunft schlichtweg am menschlichen Bewußtsein komplett vorbeigeht.

Aber wie schon gesagt, solche Auswüchse sind typisch für die spätrationalistische Phase einer Kultur (in der sind wir gerade), das war bei anderen Kulturen auch nicht anders. Rationalismus hat einfach eine selbstzerstörerische Komponente, wenn er freidreht. Was ja auch dann der tiefere Grund für die zweite Religiosität einer Kultur ist - ein Phänomen, das Rationalisten als Letzte überhaupt bemerken, und es zu verstehen sind sie schlichtweg unfähig.

Insofern ist es nicht weiter schade darum, daß er diesen Teil nicht geschrieben hat.


~ a star is nothingness disguised as light ~

zuletzt bearbeitet 31.07.2014 16:46 | nach oben springen

#8

RE: Runen

in allgemeine, religiöse Themen 01.08.2014 11:49
von Trichocereus magnus | 265 Beiträge

Naja, dem Herrn Düwel fällts eben schwer, diese heutige Esoszene überhaupt irgendwie ernstzunehmen. Schon auch irgendwie nachvollziehbar. Aber schön dass es auch noch solche Leute wie den Herrn Clarke-Goodrick gibt, der ja tatsächlich einen Lehrstuhl für "Westliche Esoterik" in Essex innehat. Leider schreibt der Kerl fast ausschließlich nur über die Esos vergangener Tage, 19. bis erste Hälfte 20. Jh. Mich täte da eher die lebendige esoterische Kultur unserer heutigen Zeit interessieren. Aber ich glaub da muss man erst noch ein paar Jahrzehnte vergehen lassen, bis die Wissenschaft mal damit anfängt, die Eso-Spinner von heute im kulturgeschichtlichen Literaturkanon zu verewigen.

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