#1

Jahwe und das Hickhack der Namensgebungen

in allgemeine, religiöse Themen 03.03.2011 03:17
von System-Karzinom (gelöscht)
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Folgenden Text schrieb ich im "alten" Forum ursprünglich als Antwort auf Coph Nia, wollte ihn für dieses Forum danach meinen eigenen Ansprüchen entsprechend überarbeiten, bin bei diesem Unterfangen allerdings auf das Problem gestoßen, ein ganzes Buch abliefern zu müssen, wollte ich das Thema auch nur annähernd gebührend umreißen.

Aus diesem Grund gibt es hier nun entgegen meiner ursprünglichen Intention den Text in der Originalversion. Bittaschön:



Okay, erst einmal einige kurze Anmerkungen zum "Gottesnamen" יהוה Jod-He-Waw-He (JHWH bzw. YHWH):

Es ist nicht einmal nachweisbar, ob das Tetragrammaton JHWH bzw. Jahwe(h) überhaupt der Name des Bundespartners der Semiten ist. Auch ist Jahwe definitiv NICHT der "Schöpfergott" aus dem judeo-christlichen Kontext, denn der ist - wie gesagt - spätere theologische Interpretation. Bis zur Zeit König Davids wurde parallel zu Jahwe noch Asherah in seinen Tempeln verehrt, wo sich die Frage stellen mag, in welchem Verhältnis sie zu Jahwe gestanden haben mag (ich gehe von der Mutter aus, andere von der Gattin). So oder so ist im Tanakh im Grunde Essig mit der vermeintlich exklusiven Göttlichkeit des abrahamitischen Götzen im Sinne des Monotheismus. Es gab mehrere Versuche innerhalb des frühen Mittelalters, die in der hebräischen Konsonantenschrift ausgelassenen Vokale durch Apostrophierungen bzw. Punktierungen im Nachhinein zu rekonstruieren, bsplw.indem man völlig willkürlich die Vokale von Adon unter die Konsonanten von JHWH schrieb. Ob sich die Bearbeiter der Tatsache bewußt waren, daß A in der althebräischen Schrift ein Konsonant war, ist dabei bereits strittig.

Als im frühen Mittelalter durch die Masoreten erneut zusätzliche Zeichen zum besseren Verständnis der Konsonantenschrift hinzu gefügt wurden, war das Kind bereits in den Brunnen gefallen, denn die Kenntnis der Schrift war bei den Juden bereits in Teilen verloren gegangen, weil der Sprachgebrauch sich in erster Linie auf aramäisch oder griechisch standarisiert hatte.
Darauf basieren weitere Irrtümer in der Übersetzung des Plurals Elohim sowie Jahwe und Adonaj und so wurden diese konsequent im Sinne der Monotheisierung allesamt in einen Topf gerührt.

Das dritte Gebot verbietet übrigens nicht den Gebrauch des Namens, sondern dessen Mißbrauch, indem man etwa mit ihm herum prollt.

Exodus, Kap. 20:

"Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht."

Dennoch ging man dazu über, den Namen nicht mehr explizit zu prononcieren und stattdessen Adonaj zu verwenden, das in der griechischen Version (der Septuaginta) dann in kyrios, in der lateinischen (der Vulgata) in dominus und in der deutschen Luther-Bibel zu HERR transliteriert wurde. Hier besteht das Problem bereits in der Tatsache, daß HERR primär dann groß geschrieben wurde, wenn im Quelltext Jahwe gestanden hat, aber Herr, wenn dort "nur" Adonaj stand.
Schon das weiß kein Schwein wirklich. Noch schwieriger wird es für den Laien, wenn er nicht wissen KANN, daß Adonaj kein spezifischer Titel für
Jahwe ist, sondern eine Suffix-Variation von Adon, das auf wirklich jeden Hans und Franz anwendbar war. Auch hier wieder nix mit exklusiver Divinität des abrahamatischen Götzen, wie sie ihm gerne im Nachhinein attestiert wurde.

Es gibt Abschriften der Septuaginta mit hebräischen Schriftzeichen, aber ein weiterer verwirrender Faktor kommt hinzu, weil diverse Bearbeiter diese nicht mehr beherrschten und stattdessen schlicht ein ähnliches Zeichen einführten: πιπι = pipi. (Nicht lachen; ich habe die Fickpisse nicht erfunden ... :lol: ).
Für weitere Verwirrung sorgte im 13. Jahrhundert Raimundus Marti, der erstmals die völlig falsche Wortkreation Jehowah bzw. Jehovah einführte; freilich wiederum as Unkenntnis der hebräischen Schrift. Und auch diese Schreibweise wurde (fehlerhaft) kolportiert.

Die "Dornbusch-Nummer" trägt sich im zweiten Buch Mosche (Mose), 3.14 zu, wo der aber kurioserweise schon längst hätte wissen müssen, wie sein Götze heißt, denn der Name Jahwe taucht bereits im ersten Buch auf. Hier darf man sich also wieder die Frage stellen, wann da wo etwas hinzu gefügt oder manipuliert wurde, denn wenn der Name explizit erst dort erwähnt wird, dürfte er in die früheren Bücher nachträglich eingefügt worden sein. Wobei nicht einmal eindeutig zu datieren ist, wann und in welcher chronologischen Reihenfolge diese Bücher von älteren Quellen abgeschrieben wurden.

Und zu Deiner These vom "unsichtbaren Gott", die lediglich Resultat eines weiteren klerikalen Dogmas ist, empfehle ich Dir exemplarisch folgende Stellen im AT:

1. Buch Mosche, 3, 8-10:

"Als sie Gott, den Herrn, im Garten gegen den Tagwind einherschreiten hörten, versteckten sich Adam und seine Frau vor Gott, dem Herrn, unter den Bäumen des Gartens.
Gott, der Herr, rief Adam zu und sprach: Wo bist du?
Er antwortete: Ich habe dich im Garten kommen hören; da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin, und versteckte mich."


2. Buch Mosche, 19, 11-20:

" ... damit sie für den dritten Tag bereit sind; denn am dritten Tag wird der HERR vor den Augen des ganzen Volkes auf den Berg Sinai herabsteigen.
Darum zieh eine Grenze rings um das Volk und sage: Hütet euch, auf den Berg zu steigen oder ‹auch nur› sein Ende zu berühren! Jeder, der den Berg berührt, muß getötet werden.
Keine Hand darf ihn berühren, denn ‹sonst› muß er gesteinigt oder erschossen werden; ob Tier oder Mensch, er darf nicht am Leben bleiben. Erst wenn das Widderhorn anhaltend ertönt, sollen sie zum Berg hinaufsteigen.
Darauf stieg Mose vom Berg zu dem Volk hinab; und er heiligte das Volk, und sie wuschen ihre Kleider.
Dann sagte er zum Volk: Haltet euch für den dritten Tag bereit! Nähert euch keiner Frau!
Und es geschah am dritten Tag, als es Morgen wurde, da brachen Donner und Blitze los, und eine schwere Wolke lagerte auf dem Berg, und ein sehr starker Hörnerschall ‹ertönte›, so daß das ganze Volk, das im Lager war, bebte.
Mose aber führte das Volk aus dem Lager hinaus, Gott entgegen, und sie stellten sich am Fuß des Berges auf.
Und der ganze Berg Sinai rauchte, weil der HERR im Feuer auf ihn herabkam. Und sein Rauch stieg auf wie der Rauch eines Schmelzofens, und der ganze Berg erbebte heftig.
Und der Hörnerschall wurde immer stärker. Mose redete, und Gott antwortete ihm mit einer ‹lauten› Stimme.
Und der HERR stieg auf den Berg Sinai herab, auf den Gipfel des Berges, und der HERR rief Mose auf den Gipfel des Berges, und Mose stieg hinauf."


2. Buch Mosche 33, 6-8:

"Sobald Mose das Zelt betrat, ließ sich die Wolkensäule herab und blieb am Zelteingang stehen. Dann redete der Herr mit Mose.
Wenn das ganze Volk die Wolkensäule am Zelteingang stehen sah, erhoben sich alle und warfen sich vor ihren Zelten zu Boden.
Der Herr und Mose redeten miteinander Auge in Auge, wie Menschen miteinander reden. Wenn Mose aber dann ins Lager
zurückging, wich sein Diener Josua, der Sohn Nuns, ein junger Mann, nicht vom Zelt."


2. Buch Mosche, 6,3:

"Dann sprach er: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Da verhüllte Mose sein Gesicht, denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen."

Ich habe noch 18 weitere Beispiele bei Bedarf.

Aus dem archäologischen Fundus darfst Du Dir dann übrigens noch zusätzlich aussuchen, ob Du zu Jao, Jahu (ägyptisch), Jaw, JHW, Jah usw. tendieren möchtest, denn die alle finden sich entweder in Papyri aus dem ägyptischen Raum oder den Qumran-Fragmenten und verweisen u.a. topologisch auf alttestamentarische Orte. Eine ugaritische Tafel aus dem Ba-Al-Epos führt zudem Jm (den "Meeresgott" Jammu) auf und wie ich bereits andeutete, führen weitere Spuren nach Assyrien, Babylonien und Persien. Kurioserweise wird der Name in Inschriften im mesopotamischen Raum auch als "Herr der Erde" geführt, was eine weitere Spur u.a. zu En.Ki aus dem akkadischen Pantheon legen könnte. Eine Gleichstellung von En.Ki mit JAHWE halte ich aus begründeten Erwägungen zwar für unwahrscheinlich (eher partiell mit Ner.Gal bzw. Utu/Shamash), aber immerhin ist eine Parallele in den Namensgebungen ebenso ersichtlich wie bei E.A und Jammu.
In der jehudischen Bevölkerungsschicht auf Elephantine gibt es gar noch einen polytheistischen Kontext, in dem Jahwe die Primärrolle spielt.

Wenn dann noch eine theoretische Herleitung vom hebräischen Verb "haja" bzw. dem westsemitischen "hijh" (sein) favorisiert wird, YHWH aber nicht einmal auf eine Zeitform fixiert werden kann, was die Lesart des Verbs selbst dann variabel gestaltet, wenn es überhaupt als Basis in Frage käme, mutet es reichlich absurd an, die Übersetzung "Ich bin, wer ich bin" (hebr. ehjeh ascher ehjeh) noch für bare Münze nehmen zu wollen. Denn im Futur könnte es bsplw. auch heißen "Ich werde sein, der ich sein werde", was den christlichen Theologen wiederum zu exegetischen Höhenflügen über die "Ewigkeit Gottes" verhalf, die aber schon alleine aus dem Grund mehr als fragwürdig ist, weil die Herleitung nicht annähernd als gesichert betrachtet werden kann.

Es gibt andere Herleitungen und Deutungen en masse, die ebenfalls nicht zu belegen sind, vor allem, weil in den letzten Jahrzehnten die Frage diskutiert wird, warum überhaupt hebräische oder westsemitische Verben herhalten sollen, wenn sich die Spuren eindeutig in den prä-arabischen Raum verlaufen.
Man weiß eigentlich nichts über die Bedeutung des Namens bzw. seine Richtigkeit.

Noch abstruser wird es, wenn von der älteren Wurzel hawa hergeleitet wird, denn auch Eva trägt im hebräischen Tanakh den Namen Hawwa. Also wieder nix mit exklusiver Divintät des Götzen. Wo bitte bleibt die in den frühen Schriftzeugnissen dann, wenn sie heute in der Theologie gerne als tradiert verkauft wird?
Im Gegenteil wird im Exodus und auch im Dekalog, aus dem Du das Verbot der Abbildung Jahwes entlehnt hast, ganz explizit auf die Existenz der anderen "Götter" hingewiesen, deren Verehrung Jahwe ab DIESEM ZEITPUNKT (!!!) strikt untersagt. Eine Abbildung seiner Gestalt wird nicht grundsätzlich verboten, zumal Indizien sowohl im AT als auch außerbiblischen Quellen existieren, daß es solche zuvor gegeben hat, er untersagt vielmehr die bildliche Darstellung für kultische Zwecke, vermutlich also auch bezogen auf eine Abstraktion.
Das erinnert etwas an ein gewisses Karikaturenverbot der Neuzeit, was wiederum den stringenten Kurs Allahs im Koran mit diesem rigiden Verbot in Verbindung bringt, denn es ist von "temunah" die Rede, was grob mit einer Plastik assoziiert werden kann. Ich neige (nicht alleine) zu der Auffassung, daß das recht spät erst eingeführte Bilderverbot im Grunde eher dazu dienen sollte, den Kontext zu den anderen "Göttern" sukzessive zu verschleiern, indem diese boykottiert und alle Abbildungen unter Strafe gestellt wurden.

Hinzu kommt, daß die theistische Deutung der genannten Titel und Benennungen eine rein willkürliche Interpretation durch die theologische Linse ist, denn einen gleichwertigen Sinnwert zum Gottesbegriff findet man in keiner der Überlieferungen.
Kurios finde ich übrigens auch, daß im Tanakh wie bereits in den akkadischen Quellen selbst Herrscher unter der häufig physisch präsenten "Gottheit" stehen, anstatt als irdische Vertreter mit entsprechender Souveränität zu fungieren, was auch zu denken geben sollte.
Im Exodus führt Jahwe selbst bsplw. die Semiten aus Ägypten, tagsüber in einer Wolke und nachts in einer Feuersäule, und campiert unter ihnen (siehe oben).
In der Genesis 32,25-29 ringt Jakob - wie gesagt - mit Jahwe und erhält den Namen Israel. Ich gehe mal davon aus, daß dieser Text den Konzilen entgangen ist, während derer Teile des AT zu apokryphen Schriften abgestempelt wurden, denn in der Deutung tun sich noch heute Pfaffen sehr schwülstig hervor, um nicht zu sagen, was offensichtlich dort steht.

Ich persönlich neige eher zu der Deutung von Karel van der Toorn, laut der eine Herleitung von der arabischen Wurzel "hwj" preferiert wird, wobei ich allerdings seiner Deutung des "Sturmgotts" widerspreche und der Meinung bin, daß sich in Koinzidenz zu den Beschreibungen im AT der "Reisen" Jahwes IN bzw. mittels den Cherubim eine Parallele ergibt.

Den Pluralis Majestatis können wir übrigens bei ernsthafter Analyse ebenfalls knicken, denn auch der entstammt dem genannten Definitions- und Benennungsgewirr bzw. den willkürlichen (Re)-Konstruktionen der genannten Begriffe und würde zudem bedeuten, daß wirklich jeder profane Popel mit einer "-im"-Endung in der hebräischen Schrift Divinität hätte genießen dürfen, während an anderer Stelle durchaus im Singular betitelt wird. Außerdem tauchen im AT etliche Namen "profaner" Menschen bzw. Patriarchen auf, die mit Jeho beginnen und demnach ebenfalls den "Gottesnamen" tragen müssten.

Wie Du siehst, ergibt sich ein konsistentes Bild des Forschungsstandes der Jahwistik also nur, wenn man den Themenkomplex arg simplifiziert, nebulös psychologisiert und fragwürdige bzw. widerlegte Schlußfolgerungen als Wahrheit zu GLAUBEN bereit ist, denn tatsächlich stehen noch weit mehr Fragen und Zusammenhänge offen, als ich das hier in aller Kürze zusammen fassen wollte.

Guckst Du auch (wenn Bock hast):

http://books.google.de/books?id=QYosK4SX...4v0OGqWCN&sig=x-
Nimrod before and after the Bible PDF
Literatur-Liste PDF




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zuletzt bearbeitet 03.03.2011 03:19 | nach oben springen

#2

RE: Jahwe und das Hickhack der Namensgebungen

in allgemeine, religiöse Themen 03.03.2011 14:37
von guy_inkognito | 102 Beiträge

Lässt sich interessant lesen.
Vor allen Dingen ist wikipedia dabei sehr lustig.
Da werden alle Worte als "Gott" oder "Herr" übersetzt.

Sei es nun Adon(aj) Elohim (steht dort als Plural für Gott??? Wieso Plural? Angeblich aus Ehrfurcht, ergibt für mich aber keinen Sinn?) oder HaSchem dort bedeutet alles das Gleiche, schwer vorstellbar.
Mein alter Sozilehrer meinte mal, der liebe Luther hat bei der Bibel viele Fehler gemacht weil er die nur auf dem Scheißhaus übersetzt hat und einige Male kam aus der Feder das Gleiche wie aus dem Enddarm, ich habe so gebrüllt vor Lachen


So lange auf der Pizza steht, "Vor dem Erwärmen die Folie abziehen" ist die Menschheit dumm!

zuletzt bearbeitet 03.03.2011 14:38 | nach oben springen

#3

RE: Jahwe und das Hickhack der Namensgebungen

in allgemeine, religiöse Themen 03.03.2011 15:20
von System-Karzinom (gelöscht)
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@guy_inkognito:

Zitat
Sei es nun Adon(aj) Elohim (steht dort als Plural für Gott??? Wieso Plural? Angeblich aus Ehrfurcht, ergibt für mich aber keinen Sinn?) oder HaSchem dort bedeutet alles das Gleiche, schwer vorstellbar.



Na ja, zum Majestätsplural schrieb ich in dem Beitrag ja bereits etwas. Diese willkürliche exegetische Klitterung wird - wen wundert´s? - primär durch dem Christentum nahe stehende Theologen noch immer behauptet, ohne daß eine Evidenz auch nur in weitester Sichtferne läge. Die kritische Theologie geht damit partiell durchaus anders um, von sprachwissenschaftlichen Standpunkten erst gar nicht zu reden. Mit der selben Berechtigung könnte ich heute behaupten, Caesar habe schließlich von einem Germanicus geschrieben, also müssen alle Hinweise auf einen Germanenplural zwingend Indiz für Ehrfurcht vor diesem EINEN gewesen sein. Diese eindeutigen Fälschungen resultieren nun einmal aus dem Trinitätsdogma und werden selbst von Theologen gerne gegen jede Vernunft verteidigt, die durchaus hebräisch kennen und lesen können.

Zitat
Mein alter Sozilehrer meinte mal, der liebe Luther hat bei der Bibel viele Fehler gemacht weil er die nur auf dem Scheißhaus übersetzt hat und einige Male kam aus der Feder das Gleiche wie aus dem Enddarm, ich habe so gebrüllt vor Lachen



Da hat der Mann nicht Unrecht.




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zuletzt bearbeitet 03.03.2011 15:22 | nach oben springen

#4

RE: Jahwe und das Hickhack der Namensgebungen

in allgemeine, religiöse Themen 10.11.2011 00:05
von Goyhem | 62 Beiträge

Die Dreieinigkeit ist ein nicht haltbares Dogma wie viele, die von der Kirche errichtet wurden. Elohim, Adonaj usw. sind im Grunde Anreden für Erhabenheiten. Ich gehe davon aus, dass damit Yahushua (später in Menschengestalt von Jesus) und JHWH gemeint waren, die beide von Anfang an in der biblischen Schöpfungsgeschichte existierten. So war zumindest schon im ersten Buch Mose die Rede davon, dass "sie" die Welt schufen. Beide galten aber als eins, weil sie nicht gegensätzlich wirkten und aus einem kamen. Meine Forschungen sind noch am Anfang, also korrigiere mich, wenn ich in diesem Beitrag falsch liege. Mir ist nur bekannt, dass in den arabischen Regionen die Asherah, das antike Busenwunder, verehrt wurde und viele Götterkulte, wohl besonders die der Perser, auf die Israeliten (besonders in Gefangenschaft) Einfluss hatten. In den Apokryphen fand ich recht viele Versionen und Erweiterungen zur Geschichte um Adam und Eva, wo es mir irgendwann schwer fiel, nicht zu überblättern. Waren manche Teile der Apokryphen einfach Trostpflaster für gläubige, hin und her gerissene Poethen?

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#5

RE: Jahwe und das Hickhack der Namensgebungen

in allgemeine, religiöse Themen 10.11.2011 15:16
von RAFA | 1.221 Beiträge

Also wenn man sich die Apokryphen so gibt, dann kommt da ganz klar der Märchencharakter durch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass den Mist noch irgendeiner glauben will. Ob er deswegen aus dem Kanon entfernt wurde?

Was die Dreieinigkeit besser die Zweieinigkeit betrifft: Dabei könnten durchaus Jhwh und Jesus aka Ahura Mazda und Mithras gemeint sein. Und das "antike Busenwunder"...? (das ist ja eine niedliche Bezeichnung) Gabs überhaupt ein Weib in den Göttersphären von Zurwan oder Ahura Mazda? Nicht dass ich wüsste.


www.RAFA.at - guckstu auch in meinen Blog: www.RAFAmania.de

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#6

RE: Jahwe und das Hickhack der Namensgebungen

in allgemeine, religiöse Themen 10.11.2011 21:14
von System-Karzinom (gelöscht)
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Ihr zäumt den Gaul von hinten auf, indem Ihr christlichen Volksglauben auf Überlieferungen untergegangener Kulturen rückwirkend projiziert. Wie wäre es zur Abwechslung mit der umgekehrten Herangehensweise? Dann fällt eventuell auch die Fehlerquote nicht mehr derart hoch aus.

PS: Ich beantworte das mal etwas dezidierter.

Zitat von Goyhem
Elohim, Adonaj usw. sind im Grunde Anreden für Erhabenheiten.



Es sind Betitelungen nach Eigenschaftsmerkmalen, wie bsplw. der bzw. die Bäcker Berufsbetitelungen sind (siehe oben). Elohim ist dabei ein Plural, der bereits durch seine Verbindung zur akkadischen Wurzel elu eine Erhabenheit suggeriert. Das aber auch nur in Relation zur Position des Beschreibenden. Erhaben bedeutet hier also auch, sie befanden sich in höherer Position (Hierarchie, Macht, Stellung usw.).

Zitat von Goyhem
Ich gehe davon aus, dass damit Yahushua (später in Menschengestalt von Jesus) und JHWH gemeint waren, die beide von Anfang an in der biblischen Schöpfungsgeschichte existierten.



Komplett falsch. Yeshuah bzw. Jesus spielt im alttestamentarischen Kontext bzw. im Tanakh absolut gar keine Rolle, seine künftige Existenz wird nicht einmal mit auch nur einem Wort angedeutet. Es gab ihn schlicht und ergreifend nicht, als bsplw. die Genesis oder irgendein anderer Text in Tanakh und AT verfasst wurden, von den akkadischen Quellen erst gar nicht zu reden. Und es gab auch keine Vorstellung eines "Gottes", sondern die Beschreibung der Anakim und Elohim, die auf den akkadischen Quellen basiert. Darin war es eh Standard, dass diese Wesen etliche Kinder hatten, nicht selten auch gezeugt mit Menschen. Das war weder ungewöhnlich, noch hat es irgendetwas mit dem späteren Monotheismus im Christentum zu tun. Es gab auch im AT noch unzählige dieser Wesen.
Und auch Jahwe taucht erst vergleichsweise spät in der alttestamentarischen Schrifttradition als lokaler Despot auf, wie ich es bereits im Eingangsbeitrag geschrieben habe, deutlich später als die Elohim. Der Plural Elohim bezieht sich von daher definitiv nicht auf diese beiden Figuren im christlichen Kontext, der nachweislich konstruiert wurde.

In keinem einzigen Text steht auch nur andeutungsweise, dass Jesus an irgendeiner "Schöpfung" beteiligt gewesen wäre, wie auch nirgendwo steht oder auch nur angedeutet wird, dass die Anakim bzw. Elohim zwei Wesen gewesen wären. Mir ist schleierhaft, wie Du auf solche Ideen kommen konntest, denn nicht einmal im NT steht, dass Jesus Sohn eines "Gottes" sei, geschweige denn, dass er an irgendeiner Schöpfung beteiligt gewesen wäre.

Zitat von Goyhem
So war zumindest schon im ersten Buch Mose die Rede davon, dass "sie" die Welt schufen.



Auch falsch. Erstens steht in der Genesis nicht ein Wort von Jahwe oder Jesus, zweitens lauten die ersten drei Worte im hebräischen Original "Bereshit bara Elohim ... ". Bereits dieser Beginn bedeutet nicht, es sei die "Welt" geschaffen worden. Liest man weiter, erfährt man sogar, dass bereits die Erde vorhanden war (das entspricht dann nämlich der vielzitierten Stelle mit dem auf dem Wasser schwebenden "Geist Gottes" in den Übersetzungen).

Zitat von Goyhem
Beide galten aber als eins, weil sie nicht gegensätzlich wirkten und aus einem kamen.



Das hat mit Tanakh und AT rein gar nichts zu tun, denn was Du nun auffährst, ist die erst Jahrhunderte später willkürlich konstruierte Grundaussage der Trinitätslehre. Die spielt im alttestamentarischen bzw. mesopotamischen Kontext aber keine Rolle, darum solltest Du sie nicht darauf projizieren, weil Dir offenbar lediglich die christliche Interpretation geläufig ist.


Zitat von Goyhem
Waren manche Teile der Apokryphen einfach Trostpflaster für gläubige, hin und her gerissene Poethen?



Die apokryphen Schriften sind lediglich im Christentum bzw. einigen Strömungen nicht Bestandteil des Glaubenskanons, spielen aber im jeweiligen zeitlichen Kontext ihrer Entstehung in den hebräischen bzw. aramäischen Originalen keine geringere Rolle als alle anderen Schriften, die im Tanakh bzw. späteren gnostischen Werken vereint wurden. Tanakh, Bibel und Co. sind Schriftsammlungen, keine von vornherein in Buchform gedachten, in sich geschlossenen Gesamtwerke. Apokryphe Schriften wurden in der Regel im Christentum aus dem Glaubenskanon entfernt, weil dieser durch den Klerus willkürlich konstruiert wurde und diese Schriften dem Dogma inhaltlich widersprachen. Einige apokryphe Schriften entstanden aber zur selben Zeit wie nicht apokryphe Schriften, sind auch bsplw. im Tanakh nach wie vor enthalten. Abgesehen von den Apokryphen des NT, denn das spielt im Tanakh überhaupt keine Rolle.

Zitat von Rafa
Also wenn man sich die Apokryphen so gibt, dann kommt da ganz klar der Märchencharakter durch.



Es gibt keinen einzigen nachvollziehbaren Grund, warum das in den Apokryphen stärker als in den Schriften ausgebildet sein sollte, die nach wie vor dem christlichen Glaubenskanon angehören, denn wie gesagt ist die Einteilung nach apokryph oder nicht völlig willkürlich erfolgt.

Mir leuchtet auch nicht ein, wo Du da einen "Märchencharakter" heraus lesen willst, schon gar nicht, wenn man alttestamentarische Apokryphen im hebräischen Original liest bzw. halbwegs brauchbare Übersetzungen. Den Märchencharakter führte erst der Katholizismus unter dem Eindruck der paulinischen Wende ein.

Zitat von Rafa
Ich kann mir nicht vorstellen, dass den Mist noch irgendeiner glauben will. Ob er deswegen aus dem Kanon entfernt wurde?



Was im Christentum geglaubt wird, hat mit den tatsächlichen Inhalten des AT praktisch gar nichts und mit denen des NT relativ wenig zu tun. Geglaubt wird, was im Volksglauben verankert wurde. Das muss nicht einmal immer mit den Schriften auch nur annähernd übereinstimmen. Die Apokryphen verschwanden aus dem Glaubenskanon, weil sie genau diese Widersprüche zur klerikalen Version sehr deutlich demonstrieren, ihnen nämlich absolut widersprechen.

Für einen kritischen Leser der Schriften widerspricht im Grunde die gesamte Bibel dem Volksglauben, aber in der Regel wird der Scheiß eh nicht gelesen, kritisch schon gar nicht.




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zuletzt bearbeitet 11.11.2011 15:44 | nach oben springen

#7

RE: Jahwe und das Hickhack der Namensgebungen

in allgemeine, religiöse Themen 17.01.2012 23:09
von System-Karzinom (gelöscht)
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Hier mal eine aktualisierte Version des Textes:


Zu Beginn dieses Artikels möchte ich kurz einige Begriffe erklären, die zum besseren Verständnis des Beitrags erforderlich sind:

Abrahamitischer Monotheismus: Der abrahamitische Monotheismus kann als Sammelbegriff für den Eingottglauben gelten, der unter dem Eindruck mesopotamischer Überlieferungen zu der Entwicklung von Judentum, Christentum und Islam führten. Während frühere mesopotamische Formen noch eindeutig dem Polytheismus (Glaube an mehrere "Götter") zuzuordnen wäre, sofern die Annahme überhaupt korrekt ist, daß antike bzw. archaische Kulturen ein Verständnis dessen hatten, was man zeitgenössisch unter Götterglauben versteht, entwickelte sich zunächst unter den Semiten eine Monolatrie (Glaube an mehrere "Götter", aber einen Hauptgott) und später der Eingottglaube, den wir heute kennen.

In diesem Beitrag hinterfrage ich die Stichhaltigkeit der Annahme, antike Völker hätten "Götter" verehrt, zunächst bewußt nicht, denn das soll Gegenstand eines weiteren Artikels sein, um diesen hier nicht unnötig kompliziert zu gestalten.

Jahwe (YHWH bzw. JHWH): Der nahezu flächendeckend anerkannten theologischen Interpretation des hebräischen Tanakh bzw. Tanach gemäß soll es sich hierbei um den Namen "Gottes" handeln. Der Tanakh wiederum ist die unmittelbare Quelle für das Alte Testament des späteren Christentums sowie des Koran im Islam. Jahwe besteht aus den vier hebräischen Konsonanten Jod, He, Waw und He, wird von daher auch seit der frühen griechischen Übersetzung alttestamentarischer Schriften in Form der Septuaginta als Tetragrammaton bezeichnet.
Genau dieser Deutung möchte ich mit meinem Beitrag widersprechen.

1. Widersprüche:

Es ist bei kritischem Quellenstudium nicht zweifelsfrei nachweisbar, ob das Tetragrammaton JHWH bzw. Jahwe(h) überhaupt der Name des Bundespartners der Semiten aus Tanakh bzw. Altem Testament ist. Auch ist Jahwe definitiv NICHT der "Schöpfergott" aus dem judeo-christlichen Kontext, denn der ist das Ergebnis jüngerer theologischer Interpretation, die den sprachwissenschaftlichen Indizien nicht selten eklatant widerspricht.
Ein Problem ergibt sich hier bereits in der Gleichsetzung des Mehrzahlbegriffs Elohim im Tanakh mit Jahwe, als handele es sich um ein und die selbe Person. Auf diesen Irrtum gehe ich später noch einmal ein.

Bis zur Zeit König Davids wurde parallel zu Jahwe noch Asherah in Jahwes Tempeln verehrt, was die Frage aufwirft, in welchem Verhältnis diese zu Jahwe gestanden haben mag (ich gehe von der Mutter aus, andere von der Gattin). Im Tanakh findet man streng genommen von daher auch nicht die vermeintlich exklusive Göttlichkeit des abrahamitischen "Gottes" im Sinne des modernen Monotheismus vor. Es gab mehrere Versuche innerhalb des frühen Mittelalters, die in der hebräischen Konsonantenschrift ausgelassenen Vokale durch Apostrophierungen bzw. Punktierungen im Nachhinein zu rekonstruieren, bsplw.indem man völlig willkürlich die Vokale von Adon unter die Konsonanten von JHWH schrieb. Ob sich die Bearbeiter der Tatsache bewußt waren, daß A in der althebräischen Schrift zeitweise den Stellenwert eines Konsonanten hatte, ist dabei bereits strittig.
Als im frühen Mittelalter durch die Masoreten erneut zusätzliche Zeichen zum besseren Verständnis der Konsonantenschrift hinzu gefügt wurden, war das Kind bereits in den Brunnen gefallen, denn die Kenntnis der Schrift war bei den Juden bereits in Teilen verloren gegangen, weil der allgemeine Sprachgebrauch sich in erster Linie auf aramäisch oder griechisch standarisiert hatte.
Darauf basieren weitere Irrtümer in der Übersetzung des Plurals Elohim sowie Jahwe und Adonaj und so wurden diese konsequent im Sinne der Monotheisierung allesamt in einen Kontext gezwungen, der ihre eigentliche Wortbedeutung schlicht ignorierte.

Aus dem archäologischen Fundus entstehen weitere Ungereimtheiten, indem man je nach Quellenlage zu Jao, Jahu (ägyptisch), Jaw, JHW, Jah usw. tendieren möchte, denn die alle finden sich entweder in Papyri aus dem ägyptischen Raum oder den Qumran-Fragmenten und verweisen u.a. topologisch auf alttestamentarische Orte. Eine ugaritische Tafel aus dem Ba-Al-Epos führt zudem Jm (den "Meeresgott" Jammu) auf und weitere Spuren führen nach Assyrien, Babylonien und Persien. Kurioserweise wird der Name in Inschriften im mesopotamischen Raum auch als "Herr der Erde" geführt, was eine weitere Spur u.a. zu En.Ki aus dem akkadischen Pantheon legen könnte. Eine Gleichstellung von En.Ki mit JAHWE halte ich aus begründeten Erwägungen zwar für unwahrscheinlich (eher partiell mit Ner.Gal bzw. Utu/Shamash), aber immerhin ist eine Parallele in den Namensgebungen ebenso ersichtlich wie bei E.A und Jammu.
In der jehudischen Bevölkerungsschicht auf Elephantine gibt es gar noch einen polytheistischen Kontext, in dem Jahwe gemäß der Monolatrie lediglich die Primärrolle vor anderen "Göttern" spielt.
Wenn dann noch eine theoretische Herleitung vom hebräischen Verb "haja" bzw. dem westsemitischen "hijh" (sein) favorisiert wird, YHWH aber nicht einmal auf eine Zeitform fixiert werden kann, was die Lesart des Verbs selbst dann variabel gestaltet, wenn es überhaupt als Basis in Frage käme, mutet es reichlich absurd an, die Übersetzung "Ich bin, wer ich bin" (hebr. ehjeh ascher ehjeh) noch für bare Münze nehmen zu wollen. Denn im Futur könnte es bsplw. auch heißen "Ich werde sein, der ich sein werde", was den christlichen Theologen wiederum zu exegetischen Höhenflügen über die "Ewigkeit Gottes" verhalf, die aber schon alleine aus dem Grund mehr als fragwürdig ist, weil die Herleitung nicht annähernd als gesichert betrachtet werden kann.

Noch fragwürdiger wird es, wenn von der älteren Wurzel hawa hergeleitet wird, denn auch Adams Frau Eva trägt im hebräischen Tanakh den Namen Hawwa. Somit wird erneut die Exklusivität des "Gottesnamens" in Frage gestellt. Wo bitte bleibt die in den frühen Schriftzeugnissen dann, wenn sie heute in der Theologie gerne als definitive Wahrheit gelehrt wird?
Im Gegenteil wird im Exodus und auch im Dekalog, aus dem das Verbot der Abbildung Jahwes entlehnt wurde, ganz explizit auf die Existenz der anderen "Götter" hingewiesen, deren Verehrung Jahwe ab DIESEM ZEITPUNKT (!!!) strikt untersagt. Eine Abbildung seiner eigenen Gestalt wird nicht grundsätzlich verboten, zumal Indizien sowohl im AT als auch außerbiblischen Quellen existieren, daß es solche zuvor gegeben hat, er untersagt vielmehr die bildliche Darstellung für kultische Zwecke, vermutlich also auch bezogen auf eine Abstraktion bzw. Verballhornung seiner wesentlichen Eigenschaften.
Das erinnert nicht zufällig an das Karikaturenverbot im Islam, was wiederum den stringenten Kurs Allahs im Koran mit diesem rigiden Verbot in Verbindung bringt, denn es ist von "temunah" die Rede, was grob mit einer Plastik assoziiert werden kann. Ich neige (nicht alleine) zu der Auffassung, daß das recht spät erst eingeführte Bilderverbot im Grunde eher dazu dienen sollte, den Kontext zu den anderen "Göttern" zunehmend zu verschleiern, indem diese boykottiert und alle Abbildungen unter Strafe gestellt wurden.

Ich persönlich stimme eher der Deutung von Karel van der Toorn zu, laut der eine Herleitung von der arabischen Wurzel "hwj" bevorzugt wird, wobei ich allerdings seiner Deutung des "Sturmgotts" widerspreche und der Meinung bin, daß sich in Koinzidenz zu den Beschreibungen im AT der "Reisen" Jahwes IN bzw. vermittels der Cherubim eine Parallele ergibt.

Den Pluralis Majestatis (Majestätsplural), der den Widerspruch zwischen Eingottglauben und dem Begriff Elohim auflösen soll, können wir bei ernsthafter Analyse verwerfen, denn auch der entstammt dem genannten Definitions- und Benennungsgewirr bzw. den willkürlichen (Re)-Konstruktionen der genannten Begriffe und würde zudem bedeuten, daß jeder profane Mensch mit einer "-im"-Endung in der hebräischen Schrift göttliche Verehrung hätte genießen dürfen, während an anderer Stelle durchaus im Singular betitelt wird. Außerdem tauchen im AT etliche Namen "profaner" Menschen bzw. Patriarchen auf, die mit Jeho beginnen und demnach ebenfalls den "Gottesnamen" tragen bzw. beinhalten müssten.
Es gibt weitere Herleitungen und Deutungen en masse, die ebenfalls nicht zu belegen sind, vor allem, weil in den letzten Jahrzehnten die Frage diskutiert wird, warum überhaupt hebräische oder westsemitische Verben herhalten sollen, wenn sich die Spuren eindeutig in den prä-arabischen Raum verlaufen.

Man weiß also eigentlich nichts über die Bedeutung des Namens bzw. seine Richtigkeit und kann von daher auch nicht behaupten, Jahwe sei ein Eigenname bzw. der Tanakh berichte von einem "Gott" mit diesem Namen.

2. Die Widersprüche zum "unsichtbaren" Geist bzw. "Gott":

Erschwerend hinzu kommt, daß die theistische Deutung der genannten Titel und Benennungen eine rein willkürliche Interpretation durch die theologische Linse betrachtet ist, denn einen gleichwertigen oder vergleichbaren Sinnwert zum Gottesbegriff findet man in keiner der mesopotmaischen Überlieferungen.
Der Mehrzahlbegriff Elohim taucht im Tanakh noch deutlich vor JHWH auf und entspricht in seiner Wortbedeutung keineswegs der, die man Jahwe gerne zuschreiben mag. Hier wurden beide Begriffe im Laufe der Jahrhunderte willkürlich miteinander in Einklang gezwungen, um den Eingottglauben zu stärken. Aber schon im Koran wird offenkundig, daß es mehrere Jahrhunderte bedurfte, den Mehrzahlbegriff Elohim effektiv zu tilgen, zumal darin der Singular Allah vorherrscht, der wiederum dem hebräischen Einzahlbegriff Eloha entspricht, der auffälligerweise im Tanakh keine wesentliche Rolle spielt.

Auffällig ist sicherlich auch, daß im Tanakh wie bereits in den akkadischen Quellen selbst menschliche Herrscher unter der häufig physisch präsenten "Gottheit" stehen, anstatt als irdische Vertreter mit entsprechender Souveränität zu fungieren, was auch zu denken geben sollte.
Im Exodus führt Jahwe selbst bsplw. die Semiten aus Ägypten, tagsüber in einer Wolke und nachts in einer Feuersäule, und campiert unter ihnen (siehe unten).
In der Genesis 32,25-29 ringt Jakob mit Jahwe und erhält den Namen Israel. Ich gehe davon aus, daß dieser Text den Konzilen entgangen ist, während derer Teile des Alten Testaments zu apokryphen Schriften abgestempelt wurden, denn in der Deutung tun sich noch heute Theologen sehr schwülstig hervor, um nicht zu sagen, was offensichtlich dort steht.

Einige Beispiele in Standardübersetzung mögen dies verdeutlichen:

Exodus, Kapitel. 20:

"Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht."

Dennoch ging man dazu über, den Namen nicht mehr explizit zu prononcieren (auszusprechen) und stattdessen Adonaj zu verwenden, das in der griechischen Version (der Septuaginta) dann in kyrios, in der lateinischen (der Vulgata) in dominus und in der deutschen Luther-Bibel zu HERR transliteriert wurde. Hier besteht das Problem bereits in der Tatsache, daß HERR primär dann groß geschrieben wurde, wenn im Quelltext Jahwe gestanden hat, aber Herr (klein), wenn dort "nur" Adonaj stand.
Schon das ist außerhalb theologischer Kreise kaum bekannt. Noch schwieriger wird es für den Laien, wenn er nicht wissen KANN, daß Adonaj kein spezifischer Titel für Jahwe ist, sondern eine Suffix-Variation von Adon, das auf wirklich jeden Hans und Franz anwendbar war. Auch hier wieder widerspricht der Text der exklusiven Divinität des abrahamatischen "Gottes", wie sie ihm gerne im Nachhinein durch Theologen und Gläubige attestiert wurde.

Es gibt Abschriften der Septuaginta mit hebräischen Schriftzeichen, aber ein weiterer verwirrender Faktor kommt hinzu, weil diverse Bearbeiter diese nicht mehr beherrschten und stattdessen schlicht ein ähnliches Zeichen einführten: πιπι = pipi.
Für weitere Verwirrung sorgte im 13. Jahrhundert Raimundus Marti, der erstmals die völlig falsche Wortkreation Jehowah bzw. Jehovah einführte; freilich wiederum in weitgehender Unkenntnis der hebräischen Schrift. Und auch diese Schreibweise wurde (fehlerhaft) kolportiert.

Die Begegnung im "Dornbusch" trägt sich im zweiten Buch Mosche (Mose), 3.14 zu, wo der aber kurioserweise schon längst hätte wissen müssen, wie sein "Gott" heißt, denn der Name Jahwe taucht bereits im ersten Buch auf. Hier darf man sich also wieder die Frage stellen, wann da wo etwas hinzu gefügt oder manipuliert wurde, denn wenn der Name explizit erst dort erwähnt wird, dürfte er in die früheren Bücher nachträglich eingefügt worden sein. Wobei nicht einmal eindeutig zu datieren ist, wann und in welcher chronologischen Reihenfolge diese Bücher von älteren Quellen abgeschrieben wurden.

Zur Widerlegung der These vom "unsichtbaren Gott", die lediglich Resultat eines weiteren klerikalen Dogmas ist, verweise ich exemplarisch auf folgende Stellen im Alten Testament::

1. Buch Mosche, 3, 8-10:

"Als sie Gott, den Herrn, im Garten gegen den Tagwind einherschreiten hörten, versteckten sich Adam und seine Frau vor Gott, dem Herrn, unter den Bäumen des Gartens.
Gott, der Herr, rief Adam zu und sprach: Wo bist du?
Er antwortete: Ich habe dich im Garten kommen hören; da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin, und versteckte mich."


2. Buch Mosche, 19, 11-20:

" ... damit sie für den dritten Tag bereit sind; denn am dritten Tag wird der HERR vor den Augen des ganzen Volkes auf den Berg Sinai herabsteigen.
Darum zieh eine Grenze rings um das Volk und sage: Hütet euch, auf den Berg zu steigen oder ‹auch nur› sein Ende zu berühren! Jeder, der den Berg berührt, muß getötet werden.
Keine Hand darf ihn berühren, denn ‹sonst› muß er gesteinigt oder erschossen werden; ob Tier oder Mensch, er darf nicht am Leben bleiben. Erst wenn das Widderhorn anhaltend ertönt, sollen sie zum Berg hinaufsteigen.
Darauf stieg Mose vom Berg zu dem Volk hinab; und er heiligte das Volk, und sie wuschen ihre Kleider.
Dann sagte er zum Volk: Haltet euch für den dritten Tag bereit! Nähert euch keiner Frau!
Und es geschah am dritten Tag, als es Morgen wurde, da brachen Donner und Blitze los, und eine schwere Wolke lagerte auf dem Berg, und ein sehr starker Hörnerschall ‹ertönte›, so daß das ganze Volk, das im Lager war, bebte.
Mose aber führte das Volk aus dem Lager hinaus, Gott entgegen, und sie stellten sich am Fuß des Berges auf.
Und der ganze Berg Sinai rauchte, weil der HERR im Feuer auf ihn herabkam. Und sein Rauch stieg auf wie der Rauch eines Schmelzofens, und der ganze Berg erbebte heftig.
Und der Hörnerschall wurde immer stärker. Mose redete, und Gott antwortete ihm mit einer ‹lauten› Stimme.
Und der HERR stieg auf den Berg Sinai herab, auf den Gipfel des Berges, und der HERR rief Mose auf den Gipfel des Berges, und Mose stieg hinauf."


2. Buch Mosche 33, 6-8:

"Sobald Mose das Zelt betrat, ließ sich die Wolkensäule herab und blieb am Zelteingang stehen. Dann redete der Herr mit Mose.
Wenn das ganze Volk die Wolkensäule am Zelteingang stehen sah, erhoben sich alle und warfen sich vor ihren Zelten zu Boden.
Der Herr und Mose redeten miteinander Auge in Auge, wie Menschen miteinander reden. Wenn Mose aber dann ins Lager
zurückging, wich sein Diener Josua, der Sohn Nuns, ein junger Mann, nicht vom Zelt."


2. Buch Mosche, 6,3:

"Dann sprach er: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Da verhüllte Mose sein Gesicht, denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen."

Zunächst einmal läßt sich zusammen fassen, daß das allgemein im Volksglauben verbreitete Bild eines unsichtbaren "Gottes" das Resultat antiker bzw. nittelalterlicher Verklärung ist, was ich in weiteren Beiträgen näher erläutern werde. Auch der "Gottesname" Jahwe existiert in der bisher angenommenen Form nachweislich nicht.




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#8

RE: Jahwe und das Hickhack der Namensgebungen

in allgemeine, religiöse Themen 17.01.2012 23:32
von Sicarius | 214 Beiträge

Guter Text. Der "unsichtbare Gott" hat aber auch seine biblischen Grundlagen:
"Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat es uns verkündigt." Johannes 1:18
"Nicht daß jemand den Vater habe gesehen, außer dem, der vom Vater ist; der hat den Vater gesehen" 6:46
"...welcher ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor allen Kreaturen." Kolosser 1:15
"...der allein Unsterblichkeit hat, der da wohnt in einem Licht, da niemand zukommen kann, welchen kein Mensch gesehen hat noch sehen kann; dem sei Ehre und ewiges Reich! Amen." 1. Timotheus 6:16


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#9

RE: Jahwe und das Hickhack der Namensgebungen

in allgemeine, religiöse Themen 17.01.2012 23:48
von System-Karzinom (gelöscht)
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Ich behandele im Beitrag ja das Alte Testament, das dem Dogma eines unsichtbaren "Gottes" klar widerspricht. In neutestamentarischen Texten sieht das freilich mitunter anders aus, weil die weitaus später entstanden und nicht rein mesopotamischen Ursprungs sind, das Dogma also bereits etabliert wurde.

Man kann von daher zwar sagen, dass im NT Übereinstimmungen zu diesem klerikalen Dogma erkennbar sind, aber eben auch nur, weil seine Entstehung kulturhistorisch mit der Entwicklung des frühen Christentums verwickelt ist, das AT aber absolut gar nicht.




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